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Börsen-Zeitung: Plan B muss passen

Archivmeldung vom 11.02.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Kolossal gescheitert ist der erste Versuch der politischen Führung Europas, Griechenland aus dem Kreuzfeuer der Finanzmärkte zu nehmen. Plan B muss jetzt passen. Ansonsten droht ein politökonomischer Flächenbrand, dessen Konsequenzen nicht absehbar sind.

Plan A der Europäischen Kommission sah vor, entlang des bestehenden Regelwerks Herr der Lage zu bleiben. Jüngst wurde das laufende Defizitverfahren gegen Griechenland verschärft und das Landesbudget quasi unter EU-Aufsicht gestellt. Athen hat daraufhin Sparmaßnahmen verkündet.

Genutzt hat das wenig bis gar nichts. An den Finanzmärkten wird die Geschichte vom reuigen Sünder nicht gekauft, der aus eigener Kraft zurückfindet auf den Pfad der Tugend. Die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen haben sich durch die Sparpläne Athens kaum eingeengt.

Atempause an den Märkten

Ein Wunder ist dies nicht, wenn man sich die bisherigen Verfehlungen der Griechen anschaut. Die Hellenen haben in den vergangenen Jahren fast ausnahmslos gegen den Stabilitätspakt verstoßen. Nur mit gefälschten Zahlen schafften sie es 2001 in die Währungsunion. Der bestehende Rechtsrahmen hat das südosteuropäische Land also nicht vom fiskalischen Schlendrian abgehalten - wieso sollte er die Läuterung herbeiführen? Die Lesart der Finanzmärkte lautet: Der Stabilitätspakt ist das Papier nicht mehr wert, auf das er gedruckt wurde.

Erst als am Dienstag Spekulationen aufkamen, es werde in Berlin und Brüssel ein Rettungspaket geschnürt, setzte die lang ersehnte - leichte - Entspannung an den Finanzmärkten ein. Auch wenn gestern keine Details eines möglichen Rettungsplans publik wurden, zeichnet sich doch recht klar ab, dass die Staatengemeinschaft Griechenland nicht fallen lassen wird.

In der Tat ist die politische Intervention inzwischen nötig. Denn längst geht es nicht mehr nur um Athen. Sollte Griechenland pleite gehen, werden sich die Finanzierungsbedingungen von zunächst Portugal, dann aber auch Spanien und Italien drastisch verschärfen. Die Dominosteine der entsprechenden Länder stehen bereits in Reihe. Auch würde der Euro abstürzen.

Zwar trägt Griechenland nur 3% zur Wirtschaftsleistung der Eurozone bei. Dies kleinzureden wäre aber naiv. Man muss sich nur in Erinnerung rufen, was für ein Schlachtfeld der Ausfall der relativ kleinen US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 hinterlassen hat. Und auf die Bankenkrise 2008/09 folgt die Überschuldungsgefahr einzelner Länder. Der zweite Akt der Tragödie an den internationalen Finanzmärkten hat die Gefahr von Staatspleiten zum Plot.

Was ist zu tun? Die naheliegende Versuchung, Griechenland einen Scheck über 30 Mrd. Euro auszustellen - auf diese Summe wird der zur Rettung Griechenlands zunächst erforderliche Betrag geschätzt -, ist nicht nur rechtlich ausgeschlossen. Auch materiell sollte der Geist der "No-Bail-out-Klausel" nicht einfach ignoriert werden. Diese soll Moral Hazard auf Staatenebene verhindern. Denn es ist offenkundig, dass nationale Regierungen künftig der "moralischen Versuchung" erliegen werden, zu laxes Ausgabenverhalten an den Tag zu legen, wenn sie damit rechnen können, dass andere Staaten die Zeche zahlen. Der Wettlauf der fiskalischen Disziplinlosigkeit wäre programmiert. Das Vertrauen in den Euro würde vollends unterminiert.

Das heißt: Jedwede finanzielle Unterstützung muss an strikte Auflagen gekoppelt werden, so wie es der Internationale Währungsfonds (IWF) praktiziert. Die an dieser Stelle bereits vor Jahresfrist favorisierte Lösung, den IWF zur Hilfe zu holen, ist aber politisch nicht gewollt (vgl. BZ vom 25.2.2009). Wenn Europa die Sache eigenständig regeln will, dürfen die Konditionen einer Finanzspritze dennoch nicht hinter die des IWF zurückfallen. Sie können aber auch nicht darüber hinausgehen, weil sich Athen sonst zum IWF flüchten würde. Ob die Mittel bilateral oder multilateral von anderen Staaten der EU ausgereicht werden, etwa durch Garantien für griechische Staatsanleihen oder den direkten Kauf von Papieren, ist dabei nachrangig. Die Konditionalität der Mittelvergabe ist ausschlaggebend.

Schuldenbremse einführen

Langfristig muss der Stabilitätspakt durch ein neues, strikteres Regelwerk ersetzt werden. Nur so kann die fiskalische Glaubwürdigkeit zurückgewonnen werden, ohne die die Währungsunion dauerhaft nicht funktionieren kann. Eine europäische Schuldenbremse nach dem Schweizer oder deutschen Vorbild wäre denkbar. Schnelles Handeln ist geboten. Denn: Griechenland rauszuboxen, dürfte nicht nur relativ einfach, sondern auch vergleichsweise billig sein, nämliches gilt für Portugal. Wenn erst einmal Spanien von den Finanzmärkten ins Visier genommen wird, sind ganz andere Beträge erforderlich. Man darf sich daher nichts vormachen: Der Staatsbankrott Griechenlands könnte die Eurozone sprengen. Die Folgen wären ökonomisch dramatisch. Politisch wären sie verheerend, würden sie den europäischen Einigungsprozess doch um Dekaden zurückwerfen.

Quelle: Börsen-Zeitung

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