WAZ: Selbsttäuschung
Archivmeldung vom 10.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Akkord werden in diesen Tagen weit mehr als 50000 Schweine buchstäblich vernichtet. Nun erhebt sich Protest. Eine seltene Koalition aus Expertentum und Empfindsamkeit klagt an: Müssen nicht gesunde Tiere aussortiert werden? Warum wird nicht geimpft? Rechtfertigen wirtschaftliche Aspekte eigentlich alles?
Dem Aufschrei
sei Dank. Er zeigt, dass ethisches Denken noch nicht ausgegrenzt ist.
Er ist dennoch nur Selbstschutz-Reflex. Denn die Zahl der „gekeulten”
Tiere ist bloß ein winziger Bruchteil der fühlenden Geschöpfe, die
tagtäglich als Schlachtvieh der Menschennahrung dienen. Es ehrt
jeden, der Tierquälerei ächtet und der die Haltung auch von
Schlachttieren möglichst „human” gestalten will. Und ein guter Staat,
der dies in Verordnungen gießt. Doch das trifft nicht den Kern. Zwar
darf niemand anderen vorschreiben wollen, was sie essen dürfen und
was nicht. Die Entscheidung ist frei. Doch auch das ist gewiss: Die
Empörung berührt nur die Oberfläche. Die ethische Grundfrage lautet:
Tierfleisch als Nahrung: ja oder nein. Alles andere: Selbsttäuschung
oder Heuchelei.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung