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Westdeutsche Zeitung: Olympia - Erst kommt das Geld und dann die Moral

Archivmeldung vom 19.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Als Pierre de Coubertin die Wiederbelebung der antiken Olympischen Spiele propagierte, schwebte ihm ein dem Frieden und der Völkerverständigung dienendes Olympia vor. Schon die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen 1896 aber demonstrierten den Missbrauch des Sports durch die Politik, Olympia kapitulierte sowohl vor der Hitlerdiktatur 1936 in Berlin als auch vor dem Kampf der Systeme im Kalten Krieg der 70er und 80er Jahre.

Moralische Debatten hatten seit jeher nur ihren Platz in den politischen Fensterreden, ansonsten bestimmte die Politik das Schicksal Olympias. Und seit den Zeiten des Juan Antonio Samaranch vor allem der Markt. Der spanische Grande, der unter General Franco diente, rettete den Olympischen Spielen durch deren hemmungslose Kommerzialisierung das Überleben. Das Internationale Olympische Komitee wurde aus einer vom Konkurs bedrohten Organisation zu einem Marktunternehmen, in dem es immer erst um Geld geht - und dann um die Moral. Was auf der einen Seite so etwas wie die Unabhängigkeit des olympischen Spitzensports sichert, verstrickt ihn andererseits in Abhängigkeiten, die er selbst gar nicht mehr zu lösen im Stande ist. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking geht es um olympischen Spitzensport, eigentlich aber um die endgültige Erschließung eines Weltmarktes. Angesichts des Milliardengeschäftes Olympia bleiben die Boykottforderungen zwar ein öffentlich diskutiertes Thema. Das aber spätestens mit der Eröffnungsfeier in Peking beendet sein wird. Unabhängig davon, ob die Fragen nach den Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik verlässlich beantwortet werden können. Es geht um Geld, um das Einhalten von unterzeichneten Vermarktungs- und Fernsehverträgen, es geht um Investitionen, um Milliarden. Ob das olympische Feuer durch Tibet getragen wird oder nicht, ist dabei letztendlich unerheblich. Auch für den olympischen Athleten geht es um Karriere, um den verdienten Lohn für entbehrungsreiche Trainingsjahre. Von Sportlern zu verlangen, einen Boykott aus moralischen Gründen zu unterstützen, ist ein Anachronismus. Das können sie immer noch fordern, wenn sie ihre Karriere beendet haben. Wie andere vor ihnen auch.

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Christoph Fischer)

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