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Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Koalitionsverhandlungen

Archivmeldung vom 07.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Zehn Tage erst liegt der Erfolg von Union und FDP bei der Bundestagswahl zurück. Irgendwie jedoch schimmert Schwarz-Gelb schon matt. Daran sind die zukünftigen Partner keineswegs unschuldig. Dass die Feier des eigenen Erfolgs recht nüchtern ausfiel, ließ sich noch mit Taktik und Taktgefühl erklären.

»Bloß keine große Gesten«, lautete die Regieanweisung. Rätselhaft aber bleibt, warum CDU, CSU und FDP danach beinahe jede Gelegenheit nutzten, um sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Dabei ist der Auftrag der Wähler eindeutig, wie die jüngsten Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen belegen. Demnach sind 53 Prozent der Befragten mit dem Ergebnis vom 27. September zufrieden. Würde am Sonntag wieder gewählt, ginge es genauso aus. Wenn demnächst eine schwarz-gelbe Koalition regiert, ist das nicht etwa ein Betriebsunfall. Die Mehrheit der Deutschen wollte und will es immer noch so. Damit verbunden ist eine entsprechend große Erwartungshaltung. Schwarz-Gelb ist zum Erfolg verdammt. Union und FDP müssen halten, was sie versprochen haben. Dazu gehören Neuregelungen in Sachen Unternehmens- und Erbschaftssteuer, eine abgeflachte Progression und höhere Grundfreibeträge bei der Lohn- und Einkommenssteuer sowie längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. Doch das reicht nicht. Schwarz-Gelb ist keine Verlegenheitslösung, wie es die Große Koalition war. Dieses Bündnis muss mehr bieten als den kleinsten gemeinsamen Nenner. Für Verzagtheit ist keine Zeit. Zaudern und Zögern waren gestern. Union und FDP müssen beweisen, dass sie Markt und Staat ebenso neu in Einklang bringen können wie Freiheit und Sicherheit. Schwarz-Gelb muss die Folgen der Krise managen, aber weiter denken. Schwarz-Gelb braucht eine Idee, wo Deutschland in vier, besser noch in zehn Jahren stehen soll. Eine Agenda 2020, wenn man so will. Die spannende Frage dieser Tage ist, ob die Kanzlerin zu solch einem Projekt bereit ist. Angela Merkel will und sie muss sogar die »Kanzlerin aller Deutschen« sein. Nicht jede Entscheidung aber, die ihre Regierung trifft, wird allen Deutschen gefallen können. Angela Merkel riskiert auch dann etwas, wenn sie mit Blick auf die NRW-Landtagswahl am 9. Mai 2010 im Zweifelsfall lieber nichts riskiert. Opposition und Gewerkschaften mögen sich noch so sehr in verbaler Kraftmeierei üben. Die Angst vor einem »schwarz-gelben Kahlschlag« entbehrt derzeit jeder Grundlage. Real ist hingegen der Gestaltungsauftrag, den Schwarz-Gelb zu nutzen hat. Nicht überheblich, aber selbstbewusst. Nicht radikal, aber konsequent. Union und FDP müssen zeigen, dass die Mitte der Gesellschaft nicht dort ist, wo sie Linkspartei und eine ihr nachlaufende SPD sehen. Die neue Regierung muss den Sorgen derer Rechnung tragen, die sie nicht gewählt haben, aber sie muss auch den Hoffnungen jener Ausdruck verleihen, die sie gewählt haben.

Quelle: Westfalen-Blatt

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