WAZ: Bush und der Klimaschutz: Das Volk hat ihn überholt
Archivmeldung vom 25.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür George Walker Bush war Kohlendioxid bis vor kurzem noch nicht einmal ein Luftschadstoff. Über viele Jahre hinweg haben er und die US-Regierung bestritten, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen menschlichen Aktivitäten und der globalen Erwärmung.
Mit dem Satz "Das Kyoto-Protokoll ist tot" versenkte er
2001 das einzige internationale Klimaschutzabkommen in den
transatlantischen Fluten. Seitdem hängen die Klimadiplomaten der
Vereinten Nationen an den Lippen des US-Präsidenten, warten auf eine
Geste: Wann endlich, so fragen sie sich, entdeckt Bush die Umwelt?
49 Minuten sprach George Walker Bush in seiner Rede zur Lage der
Nation (oder war es die zur Lage des Präsidenten?), und er sagte
Überraschendes. Der Klimawandel sei eine "ernsthafte
Herausforderung"; der Spritverbrauch müsse gesenkt, der Anteil
alternativer Energien vervielfacht werden. Diese Sätze rasen um die
Welt, getragen von der Hoffnung vieler Menschen, dass Bush die
Gefolgschaft für seine harte Irak-Politik nun erkaufen will mit dem
Einlenken im internationalen Klimaschutz. Doch bewegt sich Washington
wirklich?
George Walker Bush wird sicherlich weder als Retter des
Weltklimas in die Geschichte eingehen, noch will er sich aus freien
Stücken den Blauen Umweltengel auf seine Aktentasche kleben. Bush
kündigt verbindliche Spritsparziele für das Jahr 2017 an. Dabei wird
er schon 2009 das Weiße Haus verlassen.
In Wirklichkeit ist es nicht Washington, nicht der US-Präsident,
der die Weichen auf ernsthaften Klimaschutz stellt. Das amerikanische
Volk ist ihnen längst vorausgeeilt. Neun der größten
Energieversorgungsunternehmen in den USA fordern inzwischen von ihrer
Regierung eine Senkung der CO2-Emissionen. Mehr als zwei Dutzend
US-Bundesstaaten wollen ein Emissionshandelssystem einführen, so wie
es in Europa seit 2005 praktiziert wird. Fast 300 Städte in den USA
haben sich gegen Bush gestellt und sich im Alleingang zu den
verbindlichen Zielen des Kyoto-Protokolls bekannt. Immer mehr
US-Unternehmen - darunter Boeing IBM oder General Electric - beklagen
sich, dass ein Nein zu Kyoto die US-Wirtschaft nicht wirklich stärkt.
Mit Blick auf Wachstumsmärkte wie etwa Umwelt- oder
Energietechnologien beschleicht sie die Angst, von Europa abgehängt
zu werden.
Es sind kleine Revolutionen wie diese, auf die Europa als Schrittmacher im Klimaschutz wartet. Längst laufen die Gespräche, wie die USA auf Umwegen ins Boot geholt werden können, ohne dass der weltgrößte Klimasünder dabei sein Gesicht verliert. So tot ist Kyoto vielleicht doch nicht.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung