Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland
Archivmeldung vom 09.06.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn die Europäische Union es bisher öffentlich an einer klaren Sprache gegenüber der Regierung in Athen fehlen ließ, dann mit gutem Grund: Jede frühe laute Warnung vor einem Staatsbankrott verunsichert natürlich die Geldgeber. Sie verteuert die Kredite und erhöht damit die Sparanforderungen an Griechenland sowie dessen Bedarf an Hilfsgeldern durch die Mitgliedsstaaten.
Gestern aber ist es nun doch gefallen, das Unwort »Umschuldung«. Der Bundesfinanzminister hat es gesagt - und nun ebenfalls aus gutem Grund. Denn je länger sich die griechische Tragödie hinzieht, umso schwerer wird es für Wolfgang Schäuble, die Folgen vom deutschen Staatshaushalt fernzuhalten. Umso schwerer wird es auch, die privaten Geldgeber, die von den höheren Zinsen für Griechenland-Anleihen schon profitierten, für das Risiko, das sie eingingen, auch bezahlen zu lassen. Nicht zuletzt ist Schäubles Warnung auch im Sinne Athens. Denn wenn das jetzige System so fortgeschrieben wird, dann gleicht die Aufgabe für die griechische Politik einer Sisyphusarbeit. Jeder hart erkämpfte Sparerfolg wird durch ein neues Loch oder eine neue Aufgabe an anderer Stelle wieder zunichte gemacht. Zuletzt war es die schrumpfende nationale Wirtschaft, die Griechenland an den Rand einer Abwärtsspirale führte: 2010 ist das Inlandsprodukt um 4,5 Prozent gesunken. Eine Umschuldung würde dazu führen, dass alle Beteiligten wieder Land sehen können. Die Griechen haben eine lösbare Aufgabe, und die Geldgeber kennen ihren Verlust. Dieser ist bei einer sanften Umschuldung, wie sie Schäuble vorschlägt, immer noch um einiges günstiger als bei einem »Hair-Cut«, bei dem ein großer Teil der Schulden radikal auf Null gesetzt wird. Eine sanfte Umschuldung aber will verhandelt werden. Das braucht Zeit - Zeit, die einfach verstreicht, solange keiner Tacheles redet. Schäubles Alarmbrief kommt zur rechten Zeit. Kann sein, dass seine Chefin dies anders sieht. Die Bundeskanzlerin, die gern abwartet, bis sich die Probleme von allein lösen oder bis sich zumindest die Gewichte so festgesetzt haben, dass sie nur noch in eine Richtung geschoben werden können, muss jetzt im deutschen und europäischen Interesse aktiv werden. Das Loch im griechischen Eimer wird durch Nichtstun nicht gestopft. Insofern richtet sich Schäubles Brief formal an die Finanzminister in den anderen EU-Staaten, in Wirklichkeit aber genauso an Angela Merkel und an die EU-Kommission. Die Einbindung der Banken und anderen Geldgeber in eine Lösung des Griechenland-Problems stärkt sicher auf den ersten Blick nicht die Gemeinschaftswährung. Auf der anderen Seite könnte es auch den Spaß am Spekulieren mit anderen Euro-Mitgliedsstaaten wie Portugal, Spanien oder Italien reduzieren. Das immerhin wäre sogar ein angenehmer Nebeneffekt.
Quelle: Westfalen-Blatt (ozs)