Lausitzer Rundschau: Belgien nach den Parlamentswahlen Europa im Kleinen
Archivmeldung vom 12.06.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJetzt reiht sich auch Belgien ein in diesen Club von EU-Ländern, in dem die Politik vor allem damit beschäftigt ist, aus widersprüchlichen Wahlergebnissen halbwegs funktionierende Regierungen zusammenzuflicken. Und am Beispiel dieses Kernlandes der Union, in dem auch ihre wichtigsten Organe beheimatet sind, wird so manches klar an grenzüberschreitenden Trends und damit verbundenen Schwierigkeiten. Denn Belgien ist tatsächlich in Vielem eine Miniaturausgabe der Europäischen Union.
Da ist zum einen die Hilflosigkeit der europäischen Sozialdemokratie,
die in weiten Teilen des Kontinents ihre Anziehungskraft für Wähler
verloren hat. Ihr Schwanken zwischen Wirtschafts- und Sozialreformen
einerseits und einer Abwehrstrategie gegen die ungewollten Effekte
der Globalisierung macht sie in vielen Ländern bestenfalls noch zum
Anhängsel, das für eine Regierungsbildung zwar gebraucht wird, selbst
aber nicht mehr entscheidender Bestandteil ist.
Da ist zum anderen der Zustrom zu politischen Gruppierungen, die vor
allem von der Angst vor dem Verlust der Identität leben. Attraktiv
für viele Wähler ist an diesen Parteien nur die Forderung, das eigene
Land vor einer befürchteten Überfremdung oder Fremdbestimmung zu
schützen. Aber dies reicht oft, um traditionelle Formen der
Mehrheitsbildung zu erschweren oder gar zu verhindern. Beiden Trends
gemeinsam ist das schwindende Vertrauen in die Fähigkeit der
Demokratie, die Lasten der Veränderung ausreichend gerecht auf die
Schultern aller zu verteilen. So erhalten Politiker Zulauf, die das
dumpfe Gefühl ansprechen, man gehöre zu denen, die übers Ohr gehauen
werden und zu kurz kommen.
In Belgien hat die Teilung des Landes in kulturell sehr
unterschiedliche Regionen diese Trends noch beschleunigt. Dies führte
dann zur Abwahl eines durchaus erfolgreichen Premierministers, der
dazu noch einer der Vorkämpfer für die weitere europäische
Integration war. Und dieses Europa ist auch der wirkliche Verlierer
dieser Wahl.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau