Neue OZ: Wie Investoren ticken
Archivmeldung vom 16.12.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Zweifel sollte man Jean-Claude Trichet mehr Kompetenz in Finanzfragen unterstellen als Angela Merkel. Und die Sorge des EZB-Präsidenten ist berechtigt, dass die von der Bundeskanzlerin beim EU-Gipfel angestrebte Einigung auf eine Beteiligung privater Gläubiger an Hilfen für überschuldete Euro-Länder die Währungskrise verschärfen könnte. Denn dieser Plan sieht in letzter Konsequenz die Bankrotterklärung eines solchen Staates durch die Euro-Finanzminister vor. Das ist bisher unmöglich.
Warum sollten Gläubiger von Staaten bei Pleiten anders reagieren als solche von Unternehmen, etwa Lieferanten von Baufirmen, die Insolvenz anmelden? Und wie Investoren in Krisen ticken, zeigt sich beim Bank-Run, wie ihn zuletzt das britische Geldhaus Northern Rock erlebt hat. Dann lautet nämlich stets das Motto: Rette sich, wer kann.
Moralische Appelle und demonstrative Gelassenheit, wie sie Merkel gestern im Bundestag an den Tag legte, werden den Euro nicht aus der Krise führen. Das könnte nur der Wille zu koordinierter Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Und natürlich der Wille zur Wahrheit: Denn bis zur Finanzkrise galt die deutsche Wirtschaft als notorisch wachstumsschwach, wurde den Bundesbürgern von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft lange Zeit weisgemacht, sie hätten den größten Reformbedarf aller Europäer. Das kann sich binnen zweier Jahre nicht umgekehrt haben.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung