Allg. Zeitung Mainz: Kommentar zu Parteien
Archivmeldung vom 01.10.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Sage nach weinen Krokodile, wenn sie ihre Opfer fressen. Unter diesem Aspekt ist manche Gefühlsregung auf dem CSU-Parteitag kritisch zu beleuchten: Krokodils- oder wirkliche Tränen der Rührung? Doch wer will das im Einzelfall entscheiden? So ist das eben in der Politik, bei der CSU zumal. Für Stoiber kommen Beckstein und Huber. Inhaltlich ändern soll sich nichts - der Betrachter schwankt zwischen Erschütterung und Faszination über die Festigkeit dieses "Weiter so".
Wirklich alles Friede, Freude,
Leberkäs'? Was das Personaltableau betrifft, muss den Christsozialen
klar sein: In Berlin verlieren sie an Glanz und Einfluss. In
intellektueller Hinsicht hat Erwin Huber nicht die Statur, auf
Augenhöhe mit einer Kanzlerin zu verhandeln, die innenpolitisch immer
stärkeren Zuspruch findet und außenpolitisch eine so gute Figur
macht. Beckstein ist da, obwohl äußerlich Huber nicht unähnlich, aus
anderem Holz geschnitzt. Dass er auf lange Sicht die gesamte
CSU-Macht an sich reißt, wäre folgerichtig. Aber vieles in der CSU
folgt eben nicht der Logik, sondern - stärker als in anderen Parteien
- dem Bauchgefühl und der traditionellen Denkungsart des "Mir san
mir". Für eine wie Gabriele Pauli ist da kein Platz. Von so einer mag
der eine oder andere Delegierte im stillen Kämmerlein heimlich
träumen, aber sie auf dem Parteitag zu wählen, das traut er sich
nicht. Eine gewisse Tragik umgibt die Fürther Landrätin. Letztlich
war sie es, die mit unbequemen Fragen das Ende Stoibers einläutete.
Damit wurde sie zum Glücksfall für viele, die den Dolch im Gewande
führten, sich aber nicht aus der Deckung wagten. Mit einigen
Eskapaden goss die Rebellin dann allerdings Wasser in ihren eigenen
Wein. Was sie nun weiter tun wird - eine spannende Frage. Seehofer
bleibt derweil im Spiel. Nach CSU-Maßstäben ist zwar auch er ein
Rebell, aber gerade noch erträglich. Weil er der Partei noch sehr
viel nutzen kann, wird sie auch bei etwaigen künftigen Affären
Seehofers ein Auge zudrücken. Politische Inhalte? Bei dieser Frage
verweist die CSU gerne auf ihre Wahlergebnisse, wobei das eigentlich
keine richtige Antwort ist. Wofür etwa steht das "S" der CSU? Wie
kommt man in der Sozialpolitik in den nächsten Jahren mit der CDU
zurande, wie mit einem möglichen Koalitionspartner FDP? Der Wähler
will das wissen, vor allem, wenn er gewahr wird, dass die SPD Kurt
Becks drauf und dran ist, die Agenda 2010 zu verändern. Auch die
nächste Bundestagswahl wird vermutlich mit dem Thema Sozialpolitik
entschieden. Stillstand im Denken ist da Rückschritt, für jede
Partei, auch für die CSU.
Quelle: Pressemitteilung Allgemeine Zeitung Mainz