Die Leipziger Volkszeitung zu Klima/Koalition
Archivmeldung vom 27.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEines muss man Umweltminister Sigmar Gabriel schon lassen: Der Mann hat ein Gespür für Themen. Als er sein Amt antrat, überwogen noch die Zweifler, ob er überhaupt das Format habe, um in die Fußstapfen von Jürgen Trittin treten zu können.
Weil Gabriel eine verlorene Landtagswahl hinter sich hatte
und bis dato gleich Gerhard Schröder eher als Auto-Mann denn als
Naturschützer aufgefallen war. Gut eineinhalb Jahre und eine
UN-Brand-Studie über den Klimawandel später hat der rote
Bundesumweltminister seinen grünen Vorgänger längst vergessen gemacht
und zählt obendrein zu den medialen Lichtgestalten seiner Partei im
ersten Kabinett Merkel. Hut ab.
Kommt im Prinzip aber nicht überraschend. Denn dass es im Vergleich
zu seiner Zeit in Hannover besser klappt, als er mit seinen
unausgegorenen eigenen Entwürfen regelmäßig sein Kabinett düpierte,
dafür sorgt jetzt ein Mann, der Kampagnenerfahrung hat: Matthias
Machnig, erfolgreicher Wahlkampfmanager für die SPD und früher
Intimus von Franz Müntefering. Er setzt Gabriel geschickt in Szene.
Als ein Kandidat, der gegen Angela Merkel bei den nächsten
Bundestagswahlen antreten könnte.
Bislang hat das gut funktioniert. Gabriel ist zurzeit in der Tat
unter den Genossen der Star. Während sich Finanzminister Peer
Steinbrück an der Unternehmenssteuerreform abarbeitet,
Arbeitsminister Franz Müntefering sich beim Mindestlohn eine Beule
nach der anderen holt und Parteichef Kurt Beck als pfälzisches
Leichtgewicht verspottet wird, der für die schlechten Umfragewerte
der SPD verantwortlich ist, glänzt der Mann aus dem Harz, indem er
Akzente setzt. Neben planstabsmäßigem Vorgehen gehört dazu Instinkt -
und natürlich ein wenig Glück. Henry Kissinger hat mal über Helmut
Schmidt gesagt, er habe das Pech gehabt, dass in seiner Amtszeit
keine großen weltpolitischen Entscheidungen anstanden. Bei Gabriel
ist das Gegenteil der Fall: Seine Themen haben Konjunktur.
Weltkonjunktur. Seit die Uno den Weltklimabericht vorgelegt hat, wird
die Kohlendioxid-Debatte von Canberra bis Berlin geführt.
Dass ein deutscher Umweltminister da mitmischt, liegt auf der Hand.
Ja, ist zwingend notwendig. Nur darf sich sein Engagement nicht auf
Deutschland beschränken. Klima ist nämlich global, Klimapolitik muss
es auch sein. Nationale Alleingänge bringen deshalb herzlich wenig.
Und kosten zudem noch. Was allein das Beispiel erneuerbare Energien
zeigt. In seinem Plan, nach dem der CO2-Ausstoß bundesweit bis 2020
um 40 Prozent sinken soll, will der Umweltminister deren Anteil auf
27 Prozent steigern, obwohl Strom aus Wind und Sonne wesentlich
teurer als der aus konventionellen Kraftwerken ist. Die Rechnung
dafür zahlen Bürger und Unternehmer. Schon heute werden jährlich
Milliarden in die Subventionen dieser Energieträger gepumpt. Das
schöpft Kaufkraft und schmälert Gewinne.
Doch es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das
gilt auch für Gabriels Plan. Denn der ist zwar gut zu vermarkten,
aber keineswegs durchzusetzen. Macht aber nix, hängenbleiben wird,
dass Gabriel eine Vorreiterfunktion übernimmt. Damit dürfte ein Ziel
seines Vorstoßes geschafft sein: Mediale Präsenz.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung