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Mittelbayerische Zeitung Regensburg zur Balkanpolitik der Bundesregierung

Archivmeldung vom 31.08.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.08.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Europa schimpft über Angela Merkels Euro-Krisenmanagement, die Welt schüttelt den Kopf über Deutschlands Haltung im Libyen-Konflikt, und Barack Obama fliegt bei seinem großen Europa-Besuch über Berlin einfach hinweg: Die schwarz-gelbe Regierung steht außenpolitisch nicht gut da. Da trifft es sich, dass es noch einen Balkan gibt. Wenn man es in der großen Arena nicht schafft, kann man immer noch auf dem kleinen Parcours Stärke zeigen. Aber auch im Hinterhof machen die Deutschen keine gute Figur.

Mit ihrem Auftreten in Belgrad vorige Woche hat die Kanzlerin sich in der Osterweiterung eigenmächtig den Hut aufgesetzt und dem andrängenden Serbien eine zusätzliche Bedingung diktiert. Wie Deutschland mit der angemaßten Rolle fertig werden will, ist völlig ungewiss. Nur der Kollateralschaden tritt klar zutage: Merkel hat unter den EU-Staaten provoziert. Bevor es weitergeht mit Serbiens Annäherung an die Gemeinschaft, soll Belgrad erst einmal seinen Einfluss im serbischen Norden des Kosovo aufgeben, verlangte Merkel von Präsident Boris Tadic. Tadic hat das abgelehnt - sofort und dann noch einmal, vor wenigen Tagen, in aller Klarheit vor der serbischen Öffentlichkeit. Damit steht es patt. Belgrad hatte sich ausgerechnet, im Herbst sowohl den Kandidatenstatus als auch einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu bekommen. Das mit den Verhandlungen ist jetzt Illusion. Nun lobbyiert Belgrad in den anderen europäischen Hauptstädten, damit es noch zum Kandidatenstatus reicht. Das Motiv der Merkel-Forderung ist ehrenwert. Belgrad pokert auf die Teilung des Kosovo. Das wäre eine schlechte Lösung, denn sie wäre ein Präzedenzfall und würde etliche wacklige Grenzen auf dem Balkan noch wackliger machen. Es stimmt auch, dass im Norden des Kosovo Schmuggel und organisiertes Verbrechen regieren, ein Zustand, der so nicht bleiben kann. Wenn aber Belgrad seinen Einfluss dort einfach aufgibt, wird nichts besser. Die EU-Rechtsstaatsmission Eulex ist nicht in der Lage, das Vakuum zu füllen. Nur die kosovarische Regierung würde lieber heute als morgen in den Norden einmarschieren. Das wäre allerdings ein Debakel. Die Behörden können hier gar nicht für Ruhe und Ordnung sorgen - ganz abgesehen davon, dass es mit ihrer eigenen moralischen Kraft, einen Sumpf von Korruption auszutrocknen, auch nicht eben zum Besten steht. Auf die Dauer gibt es zur Integration des Nordens in den neuen Staat keine Alternative. Mit Gewalt aber wird das nicht funktionieren. Merkel hat in Belgrad sibyllinisch gesagt, "man" müsse "alles tun, um einseitige Schritte einer Seite zu verhindern"- ein kleiner Hieb auf die Regierung in Pristina, die im Juli ihre Spezialpolizei in den Norden schickte. Ein klarer Ausschluss von Gewalt aber war das nicht. Mit Ergebnissen bei den praktischen Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina, schloss Merkel nämlich an, würde "die Gefahr einseitiger Maßnahmen geringer". Das kann auch heißen: "Wenn ihr Serben in den Verhandlungen nicht mehr nachgebt, darf Pristina wieder seine Spezialpolizei schicken." Das Resultat wären Flüchtlingskolonnen wie zuletzt vor zwölf Jahren. Berlin wird dafür die Verantwortung übernehmen müssen. Der Balkan mag weltpolitisch weniger bedeutend sein als die arabischen Länder. Blamieren kann man sich hier aber genauso gut. Der Kanzlerin ist die Region persönlich fremd. Architekten ihrer neuen Politik sind, wie man hört, zwei kluge Leute: ihr Berater Christoph Heusgen und die neue Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Emily Haber. Beide sind lernfähig. Heusgen hat sich im Winter mit einer gründlich gescheiterten Bosnien-Initiative die Hörner abgestoßen. Haber hat über Kaiser Wilhelms verheerende Kanonenbootpolitik promoviert. Erfolgreich war das Kaiserreich nur einmal: als Bismarck auf dem Balkan den "ehrlichen Makler" gab.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)

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