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Leipziger Volkszeitung zur Eröffnung der größten Saatgutbank auf Spitzbergen

Archivmeldung vom 27.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Steinbrech und Silberwurz, Schnee-Hahnenfuß und Polarweiden. Was auf Spitzbergen wächst, ist anspruchslos. Das Klima lässt keine blühenden Landschaften zu. Ausgerechnet in diese Flora-Ödnis den weltweit größten Saatgut-Tresor zu setzen, wirkt anachronistisch, ist aber weitsichtig.

Die Bewahrer des globalen Erbes an Kulturpflanzen haben sich mit dem Depot-Standort genau richtig eingenordet. Abgeschirmt von der Zivilisation kann in dem ehemaligen Bergwerksstollen vor sich hindämmern, was für die Menschheit existenziell ist: Samen aller Spezies, die jene Pflanzenvielfalt repräsentieren, die heute die Nahrungsgrundlage der Menschheit bildet. Für über sechs Millionen Euro mehr als vier Millionen Proben in den Dornröschenschlaf zu versetzen, macht Sinn. Die Geschichte lehrt, dass die Daseinsvorsorge bei Kulturpflanzen stiefmütterlich behandelt wurde. Allenthalben ging der Sensenmann um und sorgte für Artenschwund. Beim Wettlauf um hohe Erträge blieb die Mannigfaltigkeit auf der Strecke. Monokulturen und Mutanten aus den Genlabors haben der Biodiversität das Wasser abgegraben, für menschliche Umweltsünden müssen Pflanzen büßen. Und wo Kriege toben, wird auch der Artenreichtum untergepflügt. Vor allem in Afrika, Südamerika und Teilen Asiens danken angestammte Sorten reihenweise ab. Ohne Chance auf ein Comeback, weil viele Saatgut-Banken in der Dritten Welt keine sicheren Verwahrorte sind. Die im Irak wurde geplündert, die in Afghanistan von den Taliban zerstört, die auf den Philippinen von einer Schlammlawine beerdigt. Aber nicht nur die Verlustbilanz der Vergangenheit zeigt, wie dringlich ein Überlebensort für Sämereien aller Varietäten ist. Mit dem Klimawandel dämmert eine neue Gefahr herauf. Insbesondere Kulturpflanzen, die sich in Nischen eingerichtet haben, können dabei in die Opferrolle geraten. Die farbig schillernden Prismen am Portal des Saatgut-Bunkers sind nicht nur Kunst am Bau und Leuchtreklame für das Projekt. Von dem Lichtkegel geht auch die Botschaft aus, dass zum Bewahren des pflanzlichen Reichtums weit mehr nötig ist als die Konservierung in der Tiefkühltruhe. Adressaten der Mahnung sind nicht zuletzt die Agrar-Multis, die die Entwicklungsländer mit hochgezüchtetem Material eindecken, die Bauern in die Abhängigkeitsfalle locken und dem Anbau traditioneller Kulturpflanzen den Boden entziehen.

Quelle: Leipziger Volkszeitung

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