Börsen-Zeitung: Zeit zu handeln
Archivmeldung vom 27.06.2019
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Freigeschaltet durch André OttSeit Jahrzehnten wird die Reform der deutschen Altersvorsorge von der Politik vor sich hergeschoben. Dabei ist sie aufgrund des demografischen Wandels unumgänglich. Das Umlageverfahren wird immer weniger tragfähig, weil immer weniger Menschen einzahlen, während die Zahl der Empfänger mit den in den Ruhestand gehenden Babyboomern deutlich steigen wird.
Mit dem bestehenden System wird der Lebensstandard im Ruhestand nicht zu halten sein. Gleichzeitig werden die Rentenbeiträge stark steigen, auch die Finanzierung der Renten aus Steuermitteln wird sich deutlich erhöhen. Zu Recht tritt das DAI dafür ein, zügig ein Ansparverfahren einzuführen und dabei auf die in Deutschland bisher völlig vernachlässigte Aktienanlage zu setzen. Denn die Altersvorsorge der deutschen Bevölkerung gerät noch durch einen weiteren Faktor unter Druck. Sie setzt in der Eigenvorsorge nach wie vor zu einem großen Teil auf als sicher geltende Zinsinstrumente, die aber nun im Negativzinsumfeld nichts mehr abwerfen und damit für den Vermögensaufbau untauglich geworden sind. Dieses Problem wird noch lange erhalten bleiben. Wie die DWS in dieser Woche in ihrem Kapitalmarktausblick darlegte, steuert Europa auf eine Japanisierung zu. Das Niedrigzinsumfeld, so der Assetmanager, wird noch Jahrzehnte anhalten.
So klar das Problem und so naheliegend die Lösungen sind - die gestern vorgelegte Studie des DAI zeigt auf, mit welchen Modellen andere Industrienationen schon längst erfolgreich arbeiten -, so schwierig wird allerdings die Umsetzung sein. Nach wie vor gibt es in großen Teilen der Bevölkerung, aber auch in der Politik erhebliche Vorurteile gegen Aktien, teilweise auch schlichtweg Unkenntnis und Desinteresse. Wichtig wäre eine pragmatische, unvoreingenommene und ideologiefreie Diskussion darüber, wie der Lebensstandard im Rentenalter nachhaltig unter Einbeziehung von Dividendentiteln gesichert werden kann. Dabei sollte auf die Pflege von in Teilen der Bevölkerung tief verwurzelten Vorurteilen tunlichst verzichtet, sondern auf die Fakten geschaut werden, wie die anhand der Daten klar nachweisbaren langfristig höheren Aktienerträge.
Zudem wird ein neues Modell allein nicht reichen. Es muss auch über Steuerfreibeträge und Steuerfreistellungen nach angemessenen Fristen nachgedacht werden. Das Gegenteil gilt für die Finanztransaktionssteuer, die Aktienerträge anfressen würde. Ab in die Mottenkiste damit, Deckel drauf und mit Schloss und Riegel versehen!
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Christopher Kalbhenn