Westdeutsche Zeitung: Der schamlose Durchgriff aufs ZDF
Archivmeldung vom 25.11.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.11.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEigentlich muss man Roland Koch dankbar sein. So schamlos wie der hessische Ministerpräsident hat noch niemand offen gelegt, wie sehr die Parteien den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als ihre Spielwiese betrachten. Es war schon eine gehörige Portion Chuzpe im Spiel, als der stellvertretende Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrats Chefredakteur Nikolaus Brender vor Monaten sein Misstrauen aussprach.
Doch offenbar kann selbst der Proteststurm, den diese angekündigte Demontage eines unbequemen, weil unabhängigen Journalisten ausgelöst hat, die Unionsmehrheit in den ZDF-Gremien nicht von ihrem verfassungswidrigen Durchgriff abhalten.
Wenn in den vergangenen Wochen prominente ZDF-Moderatoren, renommierte Staatsrechtler und nun auch namhafte Print-Chefredakteure die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anmahnen, könnte das allerdings darüber hinwegtäuschen, dass diese in der ARD und ganz besonders beim ZDF seit jeher mit Füßen getreten wird. Macht sich die Politik in den Länderanstalten noch die Mühe, ihren personellen Durchgriff auf die Schaltstellen der Sender über rote und schwarze "Freundeskreise" zu organisieren, so sitzen beim ZDF die Ministerpräsidenten persönlich in der ersten Reihe. Und offenbar sind Koch und Co. fest entschlossen, allen Protestrufen zum Trotz den Störenfried Brender an diesem Freitag auszusondern.
Diese Rechnung wird wohl aufgehen, weil es offenbar keinen Kläger gibt, der diesen Durchgriff ahnden lassen könnte. Denn nicht die Gebührenzahler können das Bundesverfassungsgericht anrufen, das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk stets gewogen war, sondern allein die Akteure in dieser geschlossenen Gesellschaft.
Der zaudernde ZDF-Intendant Markus Schächter hat sich bereits in tragischer Weise selbst demontiert, indem er zwar an seinem Kandidaten Brender festgehalten hat, einen Gang nach Karlsruhe aber ohne Not ausschloss. Allein die SPD-Vertreter im Fernsehrat könnten dem ZDF nun noch mit einer Klage die Freiheit verschaffen, die es zu seiner Daseinsberechtigung braucht. Sie würden mit einem Grundsatzurteil allerdings an den Ästen sägen, auf denen sie selbst in den Sendern sitzen.
Quelle: Westdeutsche Zeitung