Börsen-Zeitung: Vertrauensschaden
Archivmeldung vom 01.11.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMan kann der hämischen Kritik der SPD kaum widersprechen, wenn sie darauf hinweist, dass 55.500.000.000 Euro kein Betrag sind, den die schwäbische Hausfrau in der Keksdose vergisst. Oder wenn sie süffisant insinuiert, das Bundesfinanzministerium (BMF) habe sich vor lauter Banken-, Euro- und Schuldnerstaaten-Rettung so an den Umgang mit Billionen gewöhnt, dass es einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag schon mal übersehe.
Es ist auch nicht illegitim, die Frage nach der politischen Verantwortung zu stellen. Immerhin unterliegt die Bad Bank der verstaatlichten Hypo Real Estate (HRE), die FMS Wertmanagement, in deren Bilanz der kleine Unterschied zwischen plus und minus allzu spät aufgefallen ist, der Aufsicht durch die Finanzmarktstabilisierungsanstalt und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) - beide gehören zum Beritt von Wolfgang Schäuble. Schließlich tun sich selbst Union und FDP schwer, angesichts des fürwahr unfassbaren Vorgangs die Contenance zu wahren. Sich wie die SPD schon mal auf den Finanzminister persönlich einzuschießen mag dennoch übertrieben sein. Der oberste Kassenwart der Nation ist für vieles verantwortlich, für Aufstellung und Prüfung der Zahlenwerke von Staatsbanken sicher nicht. Nebenbei: Auch sozialdemokratisches Spitzenpersonal bringt - wie einst Parteichef und Kanzlerkandidat Rudolf Scharping - schon mal brutto und netto durcheinander.
Am Fall FMS werden noch Legionen von Kabarettisten und ihr Publikum einen Heidenspaß haben. Doch leider lässt sich die Sache nicht als Lachnummer abtun. Selbst wenn sich die gigantische Korrektur des deutschen Schuldenstandes letztlich teilweise mit der Ausübung von Bilanzierungswahlrechten erklären lassen sollte (die dann freilich miserabel kommuniziert worden wäre): Soweit hier nennenswerte Fehlbuchungen vorgekommen sind, ist dies ein neuer handfester Skandal in der schon allzu langen Skandalgeschichte der HRE. Ein Skandal, bei dessen Aufarbeitung es nicht nur seitens der FMS-Verantwortlichen inklusive ihres prominent besetzten Verwaltungsrats, sondern nicht zuletzt seitens der Wirtschaftsprüfer reichlich Erklärungsbedarf gibt. Bisher zwei Stellungnahmen von PwC geben ja mehr Rätsel auf, als dass sie Fragen beantworten.
Das im Zuge der Dauerkrise ohnehin lädierte Vertrauen der Bürger in die Finanzwirtschaft und ihre Bilanzierung, in diverse Aufsichtsinstanzen und die Politik nimmt durch solche Vorgänge weiteren immensen Schaden. Woran und an wen kann man überhaupt noch glauben?
Quelle: Börsen-Zeitung (ots)