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Börsen-Zeitung: Warum die EZB nicht beißt

Archivmeldung vom 09.01.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.01.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Auch im neuen Jahr wird die Europäische Zentralbank (EZB) nur bellen und nicht beißen. Wenn EZB-Präsident Jean-Claude Trichet im Anschluss an den Zinsentscheid des EZB-Rats am Donnerstagnachmittag vor die Presse tritt, wird er zwar erneut vor den Gefahren beschleunigter Inflation warnen. Den Leitzins wird das Kollegium zuvor aber unverändert bei 4% belassen haben.

Dafür gibt es gute Gründe: Die aktuell hohe Teuerungsrate ist das Ergebnis von Sonderfaktoren, die der Vergangenheit entstammen. Im Kampf gegen die Inflation ist der Blick in den Rückspiegel aber wenig aufschlussreich. Der Blick nach vorn zeigt dagegen: Der Aufschwung im Euroraum hat seinen Zenit überschritten. Dadurch nimmt die Auslastung der Produktionsfaktoren ab, und der Preisdruck lässt mittelbar nach. Trichet spricht von einem temporären "Inflationsbuckel", der keine Zinserhöhungen als Gegenmaßnahmen erfordert.

Zudem hat die EZB starke Verbündete im Bemühen, die Kaufkraft der Bürger des Euroraums zu sichern: Der starke Euro und die immer noch zu beobachtenden Misstrauensaufschläge im Interbankenmarkt wirken wie Zinserhöhungen. Sie dämpfen den Preisauftrieb. Warum dann aber das aggressive Drohen mit Zinserhöhungen? Aus dem Inflationsbuckel kann ein Inflationsplateau werden, wenn die anstehenden Tarifabschlüsse üppiger ausfallen sollten, als es das Produktivitätswachstum hergibt. Die Drohgebärden der EZB zielen deshalb ganz klar in Richtung Gewerkschaften: Sollten die Lohnerhöhungen Zweitrundeneffekte auslösen, wird die Notenbank mit höheren Zinsen eingreifen.

Eine scharfe Rhetorik kann tatsächlich für eine gewisse Zeit ähnliche Wirkung entfalten wie eine faktische Zinserhöhung: Sie verankert die Inflationserwartungen auf einem niedrigen Niveau. Anleger und Tarifparteien schlagen in ihren Kalkulationen dann keine hohen Inflationsprämien auf, was die Teuerung in Schach hält.

Allerdings setzt die Wirkung dieses Placebo-Effekts ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit der Notenbank voraus. Diese nimmt in dem Maße ab, wie das Bellen ohne Beißen andauert. Da das Erhöhen des Schlüsselzinses wegen der Gefahr für die Konjunktur aber derzeit keine Alternative darstellt, sind die scharfen Worte ohne Taten ein Kompromiss, mit dem zurzeit einfach gelebt werden muss.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Jürgen Schaaf)

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