Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Kennzeichnung von Lebensmitteln
Archivmeldung vom 15.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAmpeln sollte es nicht nur im Straßenverkehr geben. Auch bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln leisten sie gute Dienste. In Großbritannien markieren rote Ampeln auf Verpackungen bedenkliche, weil zuckerreiche Produkte. Finger weg, lautet die Warnung. Grüne Lichtzeichen zieren Gesundes wie Obst und Gemüse. Deutschland sollte den britischen Weg mitgehen.
Immerhin bedeutet das von der Koalition vereinbarte Gentechnikgesetz einen Fortschritt. Genveränderte Zusatzstoffe in ansonsten ohne Gentechnik hergestellten Produkten sollen nur zulässig sein, wenn natürliche Alternativen fehlen. Zudem müssen die Zusatzstoffe der EU-Öko-Verordnung genügen. Mit strengen Regeln für die Kennzeichnung »Ohne Gentechnik« will die Regierung dem breiten Unbehagen in der Bevölkerung gegenüber Genfood Rechnung tragen. 80 Prozent der gentechnisch veränderten Pflanzen wandern als Futtermittel durch die Mägen von Tieren. Bislang erfuhr der Verbraucher nicht, ob sich diese Futtermittel in der Milch und dem Fleisch verbergen, das er gekauft hat. Die Kennzeichnung »Ohne Gentechnik« weist künftig auf den Verzicht auf diese Futtermittel hin. Was im Essen drinsteckt, ist für uns Konsumenten die entscheidende Frage. Gesund, frisch und natürlich wollen wir die Speisen haben. Wir möchten wissen, wie das Lebensmittel in unserem Einkaufswagen hergestellt wurde, woher es stammt, ob es uns möglicherweise schadet. Stattdessen herrscht Sprachverwirrung: Um das Reizwort Zucker zu umgehen, schreiben die Hersteller auf die Verpackungen ihrer Kalorienbomben lieber Glucose, Fructose, Lactose oder Maltodextrin. Zucker bleibt aber Zucker. Ein »Formschinken« ist kein Schinken, sondern ein aus Fleischresten zusammengepresstes Gebilde, und das »natürliche Aroma« im Erdbeerjoghurt stammt nicht aus den roten Früchten, sondern wird aus einem Holzpilz gewonnen. Die Wortschöpfung »Quasi-Bioware« gaukelt eine ökologische Herstellungsweise nur vor. Unsere Lebensmittel stecken voll mit E-Stoffen, die konservieren, stabilisieren, färben und den Geschmack verstärken. Mehr als 300 hat die EU zugelassen, obwohl die Hälfte bei Wissenschaftlern umstritten ist, weil sie Allergien auslösen können. Wir wollen niemandem die Freude am Essen nehmen. Aber ist es nicht so, dass wir gern mehr über das wissen möchten, was wir täglich schlucken? Die Namen derjenigen, die etwa Gammelfleisch in Umlauf gebracht oder illegal Tiermehl verfüttert haben, erfahren wir meist nicht. Solange das so bleibt, sind Verbraucherinformationsgesetze halbherzig. Der Staat hat die Pflicht, die körperliche Unversehrtheit seiner Bürger zu schützen. Das gilt für Gewalt genauso wie für ungenießbares Fleisch. Zum Schutz der Bürger gehört die Kennzeichnung von Produkten. Aber auch, dass die Namen der Hersteller und Vertreiber minderwertiger Waren genannt werden.
Quelle: Westfalen-Blatt