Rheinische Post: Erdichtetes Europa
Archivmeldung vom 13.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm neuen Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk werden sich nicht die Geister scheiden. Gemeint sind damit die Leser, die sich von großen Geschichten verführen und in fremde Romanwelten entführen lassen. Aber dazu muss man beweglich sein - im Herzen wie im Kopf.
An der Wahl Orhan Pamuks werden sich dafür andere Geister
scheiden. Das sind jene, die ein traditionelles Leben und Denken mit
der Rigorosität eines Gefängniswärters hüten und bewahren wollen. Es
ist noch gar nicht so lange her, da brannten in der Türkei Pamuks
Bücher und stand der Autor vor Gericht, weil er nach Meinung der
Kläger das Türkentum herabgesetzt habe mit der Erwähnung des
Völkermords an den Armeniern.
Der Türke Orhan Pamuk ist ein im Herzen europäischer Dichter, der in Istanbul den Schmerz der Grenze zwischen Tradition und Moderne erfahren muss. Es sind diese zwei Welten, in denen er lebt und dichtet und die er dichtend miteinander verbinden möchte, weil sie im Leben einander noch immer fremd sind. Das den Nobelpreis schmückende Romanwerk von Orhan Pamuk zeigt, wie politisch auch das Träumen sein kann. Diese Erfahrung machen aber nur Leser, nie Bücherverbrenner.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post