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Börsen-Zeitung: Angst vor einem neuen 2008

Archivmeldung vom 06.08.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.08.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Um die Stimmung nachvollziehen zu können, die derzeit an den Finanzmärkten herrscht, empfiehlt sich ein Blick auf die jüngste Ausgabe des "Economist". Auf dem Titelblatt, das mit der Überschrift "Time for a Double Dip?" geziert wird, sieht man eine Dame mit Badekostüm in den amerikanischen Landesfarben, die von einer kleinen Yacht ins kühle Nass steigt. Was sie nicht sieht: Unter der Wasseroberfläche schwimmt ein weißer Hai, der nach Größe den Vergleich mit dem Rumpf der Yacht nicht zu scheuen braucht.

Blanke Angst bestimmt derzeit das Geschehen an den Märkten, auch wenn der US-Arbeitsmarktbericht mit seinen die Erwartungen übertreffenden Zahlen am Freitag die Nerven der Akteure ein wenig beruhigt hat. Es ist die Angst vor einem neuen 2008, einem Kollaps der Börsen und der Weltwirtschaft, wie er seinerzeit vom Zusammenbruch von Lehman Brothers ausgelöst wurde. Zum Absturz des Dax um mehr als 1000 Zähler in nur fünf Tagen trugen gleich mehrere als sehr bedrohlich wahrgenommene Entwicklungen bei. So hat eine Serie enttäuschender amerikanischer Konjunkturdaten die Angst vor einem Rückfall in die Rezession verstärkt. Gleichzeitig enttäuschte die Berichtssaison mit im Vergleich zur Berichterstattung für das erste Quartal deutlich zurückhaltenderen Ausblicken. Der buchstäblich in letzter Sekunde zwischen der Obama-Administration und den Republikanern erzielte Kompromiss im Schuldenstreit, durch den der Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten knapp vermieden wurde, beruhigte die Märkte vor diesem Hintergrund nur für kurze Zeit. Zudem droht den USA nach wie vor der Verlust der Rating-Bestnote "AAA", und die notwendigen umfangreichen Haushaltssanierungsmaßnahmen werden ihren Wachstumstribut fordern.

Außerdem hat der Euro-Gipfel sein Ziel, die Märkte zu stabilisieren, völlig verfehlt. Die Turbulenzen in der Peripherie der Eurozone haben sich sogar verschärft. Italien und Spanien stehen nun im Kreuzfeuer der Märkte. Verheerend ist dabei, dass die Marktteilnehmer das Vertrauen in die Kompetenz und die Fähigkeit der Regierungen und Notenbanken Europas, die Krise durch nachhaltig tragfähige Lösungen zu bewältigen, mittlerweile vollkommen verloren haben. Seit gut anderthalb Jahren wird erfolglos versucht, mit Notlösungen, die die eigentlichen Probleme nicht beheben, sondern nur aufschiebend wirken, die Krise zu bewältigen. Im Ergebnis ist nun aus einer kleinen Griechenland-Krise eine große, potenziell den Bestand der Währungsunion gefährdende Krise geworden.

In einer großen Katastrophe wie im Jahr 2008 mit einem Crash am Aktienmarkt muss die Entwicklung jedoch nicht zwangsweise enden. Der zunehmende Druck der Märkte könnte dazu führen, dass die Verantwortlichen in absehbarer Zeit doch noch eine große und nachhaltige Lösung beschließen und Forderungen nach einer erheblichen Ausweitung des Rettungsfonds EFSF bzw. einer, wie es die Landesbank Berlin formuliert, deutlich tieferen politischen Integration mit Fiskal- oder Funding-Union nachkommen. Auch dies hätte zwar seine bedenklichen Seiten; an den Märkten würde aber der gewünschte Beruhigungseffekt eintreten.

Darüber hinaus wird der Rückfall in die Rezession zwar derzeit in die Kurse am Aktienmarkt eingepreist. Eine ausgemachte Sache ist die Rezession aber noch lange nicht. Derzeit ist nach wie vor eine Wachstumsverlangsamung zu beobachten, die allerdings deutlicher auszufallen scheint als zuvor angenommen. Damit würde sich auch der Abwärtsrevisionsbedarf bei den Gewinnschätzungen auf eine Größenordnung beschränken, die gegen weitere deutliche Verluste an den Aktienmärkten spräche. Weitere erhebliche Kursverluste, z.B. von der Schuldenkrise ausgelöst, würden den Markt dann definitiv auf günstig bewertetes Terrain führen.

Käme es aber doch zu einer Rezession, dann wären die bisherigen Kursverluste erst der Anfang des Dramas. Das hat die Equinet Bank vorgerechnet. Sie unterstellte in einem Szenario für das Jahr 2012 eine Rezession und einen Einbruch der Gewinne, der mit der Entwicklung des Jahres 2009 vergleichbar ist. Auf diese Weise errechnete sie einen aggregierten Gewinn je Aktie für den Dax von 364, was weniger als die Hälfte der aktuellen Markterwartung wäre. Ferner setzte Equinet die durchschnittliche Bandbreite des Kurs-Gewinn-Verhältnisses des Dax der zurückliegenden fünf Jahre von 10 bis 13 an und kam zu einem Ergebnis, das so beruhigend ist wie ein Bad mit einem 10-Meter-Hai: Der Dax würde dann wohl unter 4200 Punkte fallen.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)

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