Balance gesucht
Archivmeldung vom 02.07.2020
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Freigeschaltet durch André OttEntsprechende Vermutungen hatten bereits die Runde gemacht, und doch sorgte die Ankündigung von Airbus, bis zum Sommer 2021 in der Flugzeugsparte 15000 Stellen abbauen zu wollen, in den betroffenen Ländern für einen Schock. Immerhin entspricht dies gut 11 Prozent der Belegschaft des Luft- und Raumfahrtkonzerns und 18,5 Prozent der Sparte Commercial Aircraft.
Für Airbus ist es ein Jobabbau nie gekannten Ausmaßes. Deshalb ist es verständlich, dass Gewerkschaften und Politiker nicht mit Kritik an den Plänen sparen. Sie sollten jedoch nicht vergessen, dass es weit schlimmer hätte kommen können, wenn Airbus so wie der US-Rivale Boeing wegen des 737-Max-Debakels bereits vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie finanziell stark angeschlagen gewesen wäre.
Für den Luft- und Raumfahrtkonzern besteht die größte Herausforderung nun darin, die richtige Balance zu finden. Er darf nicht zu viele Stellen kürzen, um gewappnet zu sein, die Produktion wieder hochfahren zu können, wenn sich die Luftfahrt wieder erholt. Auf der anderen Seite muss sich Airbus darauf einstellen, dass die Branche frühestens 2023 wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen wird, bei einer zweiten oder dritten Welle sogar deutlich später.
Zumindest was die Produktion angeht, hat Airbus rechtzeitig und umsichtig reagiert. Der Flugzeugbauer hat die Kapazität bereits Anfang April um ein Drittel gekürzt, so dass weitere größere Anpassungen erst mal nicht notwendig erscheinen. Die wohl größte Gefahr für Airbus besteht nun darin, dass die geplanten Restrukturierungen wie einst 2007 beim Sparplan "Power 8" deutsch-französische Grabenkämpfe wieder ausbrechen lassen. In einem Konzern, an dem mehrere Staaten beteiligt sind, der in mehreren Ländern wichtige Standorte unterhält und dort derzeit öffentliche Hilfen in Anspruch nimmt, ist es geradezu programmiert, dass die jeweiligen Regierungen die Pläne für den Abbau von Arbeitsplätzen mit Argusaugen beobachten. Frankreich und Deutschland pochen bereits auf eine gerechte Verteilung der Stellenkürzungen.
Das Schlimmste, was dem Luftfahrtkonzern neben einer zweiten oder dritten Covid-19-Welle passieren könnte, wäre, erneut zum Spielball nationaler Interessen zu werden, indem Politiker und Gewerkschaften der Airbus-Länder versuchen, ihre Partner zu übervorteilen. Konzernchef Guillaume Faury steht vor keiner leichten Aufgabe. Sein Wunsch, bereits im Herbst mit der Umsetzung der Sparpläne zu beginnen, ist äußerst ambitioniert.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Gesche Wüpper