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Börsen-Zeitung: Spekulanten als Sündenböcke

Archivmeldung vom 27.02.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

An allem sind die Spekulanten schuld. Das war schon immer so, und es wird immer so bleiben. Denn schließlich muss ein Sündenbock her. Allein: Die Rechnung geht nicht auf, der Vorwurf läuft ins Leere. In der Regel sind Spekulationen die Folge, nicht die Ursache von Ungleichgewichten. Das gilt für Unternehmensbilanzen wie für Staatshaushalte. Häufig sind es sogar ausgerechnet Spekulanten, die die Märkte wieder ins Lot bringen.

Zwei Schlagzeilen ließen die Kritik an Spekulanten in der vergangenen Woche aufleben. Erstens: Banken spekulieren mit Hilfe sogenannter Credit Default Swaps (CDS), also Derivaten zur Absicherung von Kreditrisiken, gegen Griechenland. Angeblich kaufen Kreditinstitute wie Credit Suisse, UBS, Société Générale, BNP Paribas und Deutsche Bank CDS und treiben so die Risikoprämien, die Griechenland auf neu ausgegebene Staatsanleihen zahlen muss, in die Höhe. Sie verdienen an den höheren Zinsen, die sie für neue Bonds bekommen, und, sollten sie Griechenland mit ihrem Gebaren in die Pleite stürzen, an den dann fälligen Ausfallzahlungen der CDS-Verkäufer.

Zweitens wird kolportiert, dass US-Hedgefonds versuchen, den Euro zu schwächen. Wie anno 1992, als der US-Milliardär George Soros gegen das britische Pfund spekulierte und so das Europäische Währungssystem zum Einfall brachte, sei das. Nun ist nicht alles, was hinkt, ein Vergleich. Manch Hinkendes ist einfach Unsinn. Griechenland heute und Großbritannien vor 20 Jahren haben lediglich den Anfangsbuchstaben gemeinsam. Damals waren Wechselkursschwankungen zwischen den Währungen einzelner europäischer Staaten begrenzt. Soros spekulierte gegen diesen staatlichen Eingriff und gewann. Heute sind die Wechselkurse flexibel. Euro und Dollar schwanken frei. Da ist es durchaus legitim, darauf zu setzen, dass der Euro fällt. Zumal das Gros der Analysten den Euro für überbewertet hält. Statt bei derzeit 1,36 Dollar liegt sein fairer Wert je nach Analystenschätzung zwischen 1,22 und 1,33 Dollar.

Wenn es also stimmt und sich tatsächlich mehrere Hedgefonds gegen den Euro positionieren: Willkommen, sie gleichen den Markt aus, stiften also auch volkswirtschaftlichen Nutzen. Dass sie dabei selbst Geld verdienen, sollte in einer freien Marktwirtschaft niemand kritisieren.

Aber zurück zum ersten Punkt, zu der Kritik an CDS. Manchmal ist es sinnvoll, eine Sache zu Ende zu denken, bevor man ein Urteil fällt. Gerade hat eine Reihe von Banken verkündet, keine griechischen Staatsanleihen mehr kaufen zu wollen. Muss Griechenland bei künftigen Emissionen höhere Zinsen zahlen, haben die Banken davon also gar nichts. Allerdings sinken die Kurse jener Anleihen, die sie bereits im Bestand haben. Das kann zu Abschreibungen führen. Eine Verschärfung der Situation in Griechenland nutzt ihnen also nichts, sie schadet.

Natürlich steigt derzeit die Risikoprämie, die Griechenland zahlen muss. CDS mögen dazu ihren Teil beitragen, die Situation zu verschärfen. Tatsächlich hat sich das Volumen von Kreditversicherungen gegen Griechenland im vergangenen Jahr auf 84,4 Mrd. Dollar verdoppelt. Aber das Nettovolumen, das die Verkäufer der CDS im Falle einer Insolvenz Griechenlands tatsächlich zahlen müssen, ist lediglich um 4% auf 8,9 Mrd. Dollar gestiegen. Offensichtlich nutzen Investoren die CDS zum überwiegenden Teil nur, um sich wirklich abzusichern.

Das wachsende CDS-Volumen ist also Folge, nicht Ursache der schlechteren griechischen Refinanzierungsbedingungen. Das zeigt auch der Blick auf die CDS-Konditionen in anderen europäischen Staaten. Während sich der CDS-Satz auf griechische Staatsanleihen seit Januar 2009 mehr als verdoppelt hat, ist der entsprechende Spread für die Absicherung von irischen Staatsbonds um mehr als die Hälfte gesunken. Noch einmal: Wir sprechen von Irland, jener Insel, die aufgrund ihrer schweren Bankenprobleme noch vor wenigen Monaten beinahe im Atlantik versunken wäre. Wäre das nicht ein wesentlich lohnenderes Spekulationsobjekt gewesen?

Das wäre es nicht. Denn Irland hat vor der Krise gut gewirtschaftet und Haushaltsüberschüsse erzielt. Außerdem hat das Land bereits ein ambitioniertes Sparprogramm aufgelegt. Zwar ist die Lage in Irland derzeit nicht viel besser als in Griechenland. Aber offenbar trauen die Märkte den Iren zu, sich aus der Krise herauszuarbeiten. Bessere Regierungsführung ist der Unterschied zu Griechenland. Und eben nicht die Willkür der Spekulanten.

Quelle: Börsen-Zeitung

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