Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema "Unbesetzte Lehrstellen"
Archivmeldung vom 09.04.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas sagt Ihnen das Ohmsche Gesetz? Kennen Sie sich in der Boolschen Algebra aus? Wissen Sie die Formel für die Ableitung zum Beispiel einer inversen Funktion? Nein? Macht nichts! Wer nicht gerade zufällig vor dem Abitur steht oder die Formeln täglich bei der Arbeit benutzt, kommt im normalen Leben auch ganz gut ohne diese Mathematik-Kenntnisse aus. Anders verhält es sich natürlich mit der Prozentrechnung oder einem einfachen Dreisatz.
Wie nützlich sie sind, erkennt jeder Schüler spätestens beim ersten Sonderangebot oder bei den ersten Verhandlungen über eine Taschengelderhöhung. Umso tragischer, wenn Schüler in Bewerbungstests immer noch an den einfachsten Rechenaufgaben scheitern! Zehn Jahre nach der ersten Pisa-Studie sollte das kein Problem mehr sein. . . Woran liegt es? Dümmer sind die Schüler von heute nicht. Viele Arbeitgeber, Eltern, Schüler und auch Lehrer geben daher den Lehrplänen die Schuld. Sie seien zu sehr mit Wissen überfrachtet, das im weiteren Leben und im Beruf oft keine Rolle spiele; jedenfalls keine große. Den Betrieben bleibt überhaupt nichts anderes übrig, als noch mehr Zeit, Energie und auch Geld in die Ausbildung der künftigen Fachkräfte zu investieren. Wer hier seine Anstrengungen nicht noch erhöht, verspielt die Zukunft. Das Engagement lohnt sich. Ansonsten wären die deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten längst nicht mehr konkurrenzfähig. Dass jeder fünfte Ausbildungsplatz heute unbesetzt bleibt, weil die Bewerber nicht die Mindestqualifikation erfüllen, muss nicht nur die Wirtschaft, sondern die gesamte Gesellschaft alarmieren. Natürlich sind unqualifizierte Bewerber nur ein Teil der Jugend. Doch es sind in jedem Fall zu viele, weil Ungelernte weiterhin auf dem deutschen Arbeitsmarkt fast keine Aussicht auf einen soliden Arbeitsplatz haben. Ein - allerdings nur kleiner - Trost ist, dass die Verhältnisse in Ostwestfalen-Lippe etwas besser sind. Anders als im Bundesgebiet steigt hier 2010 noch die Zahl der Schulabgänger. Sicher auch aus diesem Grund liegt der Anteil der unbesetzten Lehrstellen mit 15 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt von 20 Prozent. Hinzu kommt die große Zahl an Kooperationen zwischen den Unternehmen und regionalen Schulen. Hier ist OWL Vorreiter. Und bei den Praktika, den Gesprächen und gegenseitigen Besuchen profitieren nicht nur die Schüler, sondern auch Arbeitgeber und sogar die Lehrer, die sonst oft wenig mit der »normalen« Arbeitswelt in Kontakt kommen. Fehlendes Schulwissen in Mathe und Deutsch ist nicht der einzige Grund, warum Lehrstellen unbesetzt bleiben. Darüber hinaus klagen Arbeitgeber, dass viele Bewerber zu lethargisch, nicht engagiert, zu undiszipliniert sind. Auch hapert es an den Umgangsformen. Diese zu ändern, muss das Ziel sein. Hier sind an erster Stelle die Eltern gefordert.
Quelle: Westfalen-Blatt