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Leipziger Volkszeitung zum Gesundheitskompromiss

Archivmeldung vom 06.10.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das deutsche Gesundheitssystem ist nicht optimal aufgestellt. Es leidet unter Kostensteigerungen und ist stark veränderungsbedürftig. Die stümperhafte Gesundheitsreform, auf die sich die Kurpfuscher der großen Einnahme-Koalition nach langem Streit geeinigt haben, wird daran nichts ändern.

Schlimmer noch: Die Unions-Kanzlerin in selbst gemachter Umfragenot hat sich vom Koalitionspartner SPD zugunsten ausufernder Staatswirtschaft zur weitgehenden Abschaffung eines freiheitlichen Gesundheitssystems drängen lassen. Für Patienten und Beitragszahler wäre es besser, wenn alles so bliebe, wie es ist. Nur ist das nicht möglich, weil die roten und schwarzen Gesundbeter auf Biegen und Brechen ihre scheinbare Operationsfähigkeit nachweisen müssen, völlig unabhängig von der Sinnhaftigkeit des Eingriffs.
In Deutschlands Wartezimmern wird sich eine Erkenntnis breit machen: Trotz gegenteiliger Versprechungen der Gesundheitsministerin wird alles teurer, die Patientenversorgung aber nicht besser. Dass den Menschen von Merkel über Ulla Schmidt bis zum SPD-Chef Beck vorgegaukelt wird, in Zukunft werde es mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen geben, ist Politikverdrossenheit stiftende Volksverwirrung. Wenn in Zukunft Einheitsbeiträge in einen zentralistischen, bürokratischen Gesundheitsfonds fließen sollen, wird das über kurz oder lang auch zu einer Vereinheitlichung der Leistungen führen. Vermutlich auf niedrigerem Niveau. Dass Kassen in einem bestimmten Rahmen zusätzliche Beiträge erheben können, ändert daran wenig.
FDP-Chef Westerwelle liegt richtig, wenn er im Gesundheitsfonds zu viel Plan-, aber zu wenig Marktwirtschaft entdeckt. Wenn manche in der Union jetzt den Einstieg in eine systemverändernde Gesundheits-Kopfpauschale erkennen, zeugt das von Realitätsverlust. Von einer Abkoppelung der Sozial- von den Gesundheitskosten, die sinnvoll wäre, Deutschland als Investitionsstandort attraktiver machte und neue Arbeitsplätze zur Folge hätte, ist die große Koalition Lichtjahre entfernt. Auch hier konnte sich Merkel nicht durchsetzen.
Der von Merkel, Beck und Stoiber präsentierte faule Kompromiss muss noch in ein Gesetz gegossen werden. Bis dahin könnte der schwelende politische Streit zwischen Union und SPD erneut aufbrechen. In beiden - zunehmend verfeindeten - Koalitionslagern herrscht neben gequälter Zustimmung vor allem Frust über das Reformdesaster. Immerhin ist es der Kanzlerin durch die Verschiebung des Gesundheitsfonds auf 2009 gelungen, einige Unions-Ministerpräsidenten ruhig zu stellen. Vorerst jedenfalls. In der Sache wirkt die Verschiebung wie das offene Eingeständnis, Murks fabriziert zu haben, den man lieber auf die lange Bank schiebt. So sieht keine zupackende, selbstbewusste Politik aus. Sollte die Koalition vor 2009 zerbrechen oder sich nach den nächsten Wahlen eine andere Koalition bilden, kann der Fonds so schnell tot sein, wie es den meisten Bürgern lieb ist. Statt ihres innenpolitischen Meisterstücks liefert Merkel ein unbrauchbares Anfänger-Werk ab.

Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung

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