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WAZ: Weshalb der Rücktritt schwer fällt

Archivmeldung vom 13.01.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.01.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Edmund Stoiber ist nicht der erste Groß-Politiker, der an der Kunst des eigenen Abgangs scheitert.

Vor ihm demonstrierten dies Gerhard Schröder (als er polternd nicht begriff, abgewählt worden zu sein), Helmut Kohl (den Merkel via F.A.Z aus dem CDU-Vorsitz schubsen musste), Helmut Schmidt (der zur eigenen Erhebung der FDP einen Verrat anheften wollte), Willy Brandt (der lange Wehners Eiseskälte nicht verstehen wollte), Kurt Georg Kiesinger (der am Wahlabend 1969 als Sieger selig schlafen ging, um am nächsten Morgen als schlechter Verlierer aufzuwachen), schließlich Konrad Adenauer, als er zu guter Letzt zur Machtverlängerung gar noch Bundespräsident werden wollte. Die Mächtigen und ihr Amts-Ende: Weshalb mündet das so oft in eine Tragödie?

Wider die Erfahrung unterliegen die meisten dem Irrtum, ihre eigene Nachfolge noch selbst regeln zu können. Das glaubt auch Stoiber. Dabei ist er, durch eigenes kommunikatives Fehlverhalten, schon jetzt nicht mehr Herr seiner selbst. Auch Kohl glaubte lange, seinen Nachfolger selber einsetzen zu können - oder hat er da mit Wolfgang Schäuble, dem er mehrfach versprach, zu seinen Gunsten abtreten zu wollen, in Wahrheit nur gespielt?

Natürlich ist dies eine alte Weisheit: Politik ist eine Droge. Sie schafft sich über die roten Teppiche und das selbst ausgesuchte Umfeld der Bewunderer ihre eigenen Abhängigkeiten. Weshalb sollte jemand freiwillig gehen, der jeden Tag von wirklich intelligenten Menschen erzählt bekommt, warum die Chose ohne ihn auf keinen Fall läuft? Der, kaum in der Öffentlichkeit, meistens sogleich Beifall bekommt, also ständige Bestätigung erfährt, zur Zufriedenheit auch von Frau und Familie tagtäglich sein Selbstwertgefühl päppeln kann? Der selbst noch die Niederlage als Bestätigung seiner Größe erfährt, weil sie öffentlich dokumentiert wird? Weswegen sollte er erkennen wollen, dass 90 Prozent des Beifalls inszeniert sind, die wahrgenommene Realität mithin nur Sinnestäuschung ist?

Wenn Politik eine solche Droge ist, dann kann man sich Politiker wohl vorstellen als: Junkies im Dauerrausch. Oft ist ihnen über die Jahre in dieser Kunstwelt die Haltung verbogen worden. Viele meinen, sie seien wichtig als Person und darum unersetzbar. Dabei ist unersetzbar nur das Amt. Weshalb sonst glaubt Stoiber so reden zu können, als seien Bayern und er ein und dasselbe? Ein Gutes steckt auch in diesem Schlechten: Er kam noch stets, der erste Tag ohne die Macht. Es ist der Feiertag, an dem die Demokratie über die Verblendung siegt.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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