Weser-Kurier: Über die Richard-Wagner-Festspiele
Archivmeldung vom 25.07.2016
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Freigeschaltet durch André OttDie Richard-Wagner-Festspiele haben schon viele Skandale mittlerer und großer Güte erlebt, es vergeht kein Jahr, in dem nicht irgendetwas Krawalliges passiert.
Mal wird einem Regisseur die Tür gewiesen, mal wirft ein Dirigent hin. Oder umgekehrt. Das gehört zur Folklore dieser Veranstaltung. Wenn sich an diesem Montag der Vorhang für die Premiere des "Parsifal" hebt, werden die Pausengespräche - Dirigent Andris Nelsons hat hingeworfen - um ein Thema reicher sein.
Denn auch die Richard-Wagner-Festspiele sind profan betrachtet ein Großereignis, noch dazu eins, bei dem es vor Prominenten, darunter vielen Politikern, wimmelt - die Kanzlerin bleibt der Eröffnung dieses Jahr allerdings fern. Meldungen handelten 2016 erstmals von einem Sicherheitskonzept, das die Festivalleitung umsetzte. Auch darum gab es, Bayreuth-typisch, eine Diskussion: "Parsifal"-Regisseur Uwe Eric Laufenberg sah seine Arbeit eingeengt und fand nicht die Bedrohungslage durch islamistischen Terror, sondern das Konzept "bedenklich".
Es gebe sowieso keine absolute Sicherheit, wenn man in einer offenen Gesellschaft leben wolle, also weg mit Zäunen und Kontrollen. Das sagte Laufenberg vor vier Wochen, auch damals klang das befremdlich und realitätsfern. Die Festivalleitung um Wagner-Urenkelin Katharina ist da erfreulicherweise pragmatischer als ihr künstlerisches Personal und ließ sich nicht beirren.
Die 38-jährige beweist sowieso ein gutes Gespür dafür, die Festspiele im 21. Jahrhundert zu verankern und somit auch für ein größeres Publikum zu öffnen - ohne Abstriche an der Qualität zu machen. Live-Übertragungen in Kinos und im Bezahlsender Sky sind selbstverständlich, in Interviews betont sie, wie wichtig ihr die Förderung von Nachwuchstalenten ist. Auch junge Richard-Fans, die anlässlich der Festspiele zu einem frechen Wagner-Poetry-Slam einluden, erhielten die Absolution. Auch das ist Bayreuth 2016. Und darüber wird hoffentlich ebenfalls in den Pausen geredet.
Quelle: Iris Hetscher - Weser-Kurier (ots)