WAZ: Finanzkrise - Mit Schneebällen Hochöfen löschen
Archivmeldung vom 19.09.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür Banker ist der morgendliche Blick in die Tageszeitung derzeit ein masochistisches Ritual. Börsentäglich geht ein Finanzkonzern in die Knie - oder wird gerade noch durch Notverkauf gerettet. Auch dem Bürger kann bange werden.
Er registriert mit Sorge, dass die Notenbanken ständig Milliarden in den Markt pumpen. Aber genauso gut könnten sie versuchen, einen Hochofen mit Schneebällen zu löschen.
Stürzt gerade das ganze Finanzsystem in sich zusammen? Nein. Oder zumindest: Aller Voraussicht nach nein - ganz sicher kann sich schließlich niemand sein in Zeiten, in denen die ersten Adressen der Wall Street von jetzt auf nun verschwinden. Vieles spricht dafür, dass die meisten Banken, Sparkassen und Versicherungen das Beben überstehen werden. Zumindest jene, die sich nicht nur um doppelt geswapte Nullkuponanleihen kümmern, sondern auch um Sparbücher und Betriebskredite.
Kein Wunder, dass sich die Deutsche Bank gerade jetzt die Postbank angelt. Es ist nur ein paar Jahre her, da wollte sie das als renditeschwach verspottete Geschäft mit Kleinkunden aufgeben und sich aufs hochgelobte Investmentbanking konzentrieren. Heute wird man heilfroh sein, dass das nicht geklappt hat. Denn längst ist Hausmannskost angesagt, nicht Nouvelle Cuisine.
Ist der Kasino-Kapitalismus am Ende? Ja. Zumindest wenn damit jenes völlig übersteigerte Bankgeschäft gemeint ist, das eine Menge sinnloser Kapitalmarktprodukte hervorbrachte. Das einige überbezahlte Banker dafür belohnte, für schwankende Kurse und spekulative Übertreibungen zu sorgen. Und das alle erdenklichen Risiken in Wertpapiere verpackte und neu zusammenstellte - bis am Ende jeder glauben konnte, die Risiken wären aus der Welt.
Gewiss, auch in Zukunft wird es Spekulanten geben und Terminbörsen und auch Preisblasen, denn die gab es schon immer. Aber der - sprachlich als "Investmentbanking" geschönte - Versuch, die ganze Welt zum Spekulationsobjekt zu machen, ist zunächst gescheitert. Das große Glücksspiel ist erst einmal aus.
Eigentlich müsste das ein Anlass sein, um erleichtert zu sein. Aber noch ist nicht raus, was dieser lehrreiche Kollaps den Steuerzahler kostet. Keiner kann sagen, wie viele Finanzspritzen nötig sind. Niemand weiß, wie stark die Krise die Wirtschaft bremst. Das Risiko zu bestimmen ist fast so schwer wie bei den komplizierten Wertpapieren, die das Debakel ausgelöst haben.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Detlef Fechtner)