Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur SPD/Beck
Archivmeldung vom 27.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSPD-Chef Kurt Beck ist sich immer noch sicher, »dass die SPD nah bei ihrem Vorsitzenden und der Vorsitzende nah bei seiner Partei ist«. Wenn sich der Rheinland-Pfälzer da man nicht irrt. Beck kann noch so demonstrativ die von allen Seiten auf ihn einprasselnde Kritik an seinem Schlingerkurs vor und nach der Hessen-Wahl abprallen lassen.
Er wird den erlittenen Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust nicht mehr überwinden und die Personaldebatte bei den Sozialdemokraten nicht abwenden können. Dabei wird es zunächst um den Kanzlerkandidaten der SPD für die Bundestagswahl im nächsten Jahr gehen, später aber auch um ihn in seiner Funktion als SPD-Vorsitzender. Es geht für Beck also längst nicht mehr darum, dass es für Politiker, wie er dieser Tage bemerkte, schon einmal schwere Tage und auch schlaflose Nächte gibt. Die Partei hat ihn nur deshalb noch nicht in die Wüste geschickt, weil die SPD seit Willy Brandts Rücktritt bereits sieben Vorsitzende verschlissen hat und nach so kurzer Zeit (noch) nicht den achten folgen lassen will. Die Partei weiß aber auch, dass sie mit Beck politisch nicht wieder Boden unter den Füßen bekommen wird. Zu viele Signale zeigen in eine andere Richtung. Auch wenn Umfragen häufig mit Vorsicht zu genießen sind. Die Umfragewerte für die SPD zeigen eine beängstigende Schwäche. Die Partei ist auf dem besten Weg, ihr Etikett als Volkspartei zu verlieren. Auch in dieser Woche haben die Sozialdemokraten in der Wählergunst keinen Boden gut gemacht, verharren weiter auf einem Rekordtief. In keinem einzigen der 16 Bundesländer ist die SPD noch stärkste Kraft. Eine dramatische Entwicklung, wie ein Rückblick auf die Bundestagswahl 2005 zeigt: Damals war die SPD noch in 12 von 16 Bundesländern stärkste Kraft geworden. Unter Becks Führung hat die SPD in ihren Hochburgen fast jeden zweiten Wähler verloren. Da wundert es auch nicht, dass mehr als 90 Prozent der SPD-Wähler eine Urwahl zu Bestimmung des Kanzlerkandidaten fordern. Das heißt nichts anderes als: Sie wollen Kurt Beck nicht. Deutlicher kann eine Abfuhr nicht ausfallen. Doch auch in der SPD selbst werden die Zweifel immer größer, mit Beck im nächsten Jahr Chancen zu haben. Als erster führender Sozialdemokrat hat Hamburgs SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann gestern Beck eine Urwahl nahegelegt. SPD-Fraktionschef Peter Struck sieht in Außenminister Frank-Walter Steinmeier einen geeigneten Kandidaten. Und Steinmeier selbst fordert einen klaren Kurs der SPD vor der Kandidatenkür. Man muss nicht einmal zwischen den Zeilen lesen können, um zu erkennen, dass hier die Demontage Becks betrieben wird. Der »Seeheimer Kreis« der SPD hat Beck aufgefordert, den aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten vorzuschlagen. Wenn es dem SPD-Chef nach eigenem Bekunden wirklich um den Erfolg der deutschen Sozialdemokratie geht, sollte er seiner Partei nicht Kurt Beck vorschlagen.
Quelle: Westfalen-Blatt