Lausitzer Rundschau: G8-Gipfel in Heiligendamm Der Bürger als Zaungast
Archivmeldung vom 31.05.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJetzt ist das Ding also zu und wir alle werden Zaungäste. Das ist der Gipfel - nicht nur an dem abgeriegelten Ostseestrand. In Potsdam werden Schulkinder nach Hause geschickt und Badeanstalten geschlossen. Berlin wird seit Tagen abschnittsweise zwangsweise und zumeist unvorhergesehen verkehrsberuhigt. Da wird der Bürger zum Stau-, zum Staun-Gast.
Begonnen hatten diese Treffen mal als lockerer Gedankenaustausch
zwischen den Führern marktwirtschaftlich orientierter, einer freien
Gesellschaftsordnung verpflichteten Länder.
Der zwanglose, offene Dialog sollte Hilfe sein bei der Suche nach dem
Gemeinsamen der Demokraten. Wer sich den Ablauf solcher Gipfel heute
anschaut, könnte leicht zu dem Trugschluss gelangen, wir lebten nicht
länger in einem Zeitalter, in dem das Volk der Souverän und Quelle
aller staatlichen Gewalt ist. Denn in den Gipfelplänen ist das Volk
bestenfalls ein Zaungast auf Distanz.
Dabei kann längst nicht mehr auseinander dividiert werden, was
wohlbegründete Sorge um die Unversehrtheit der anreisenden
Staatsgäste ist und was lediglich getan wird, um das Bild einer
heilen, störungsfreien Gipfelharmonie zu zeichnen. Und es bleibt der
Verdacht, dass die Politiker nicht nur geschützt werden sollen. Ihnen
soll auch jeder Umweg, jede zwar ungefährliche, aber unangenehme
Konfrontation mit dem Protest erspart bleiben soll. Solch ein
Verdacht aber ist Gift für ein offenes, demokratisches Gemeinwesen.
Auf der Stecke droht dabei das Wissen darum zu bleiben, dass nicht
etwa die Distanz zum Bürger, sondern die Nähe den auszeichnet, dem
auf Zeit und Widerruf die Wahrnehmung der Geschäfte des Gemeinwesens
anvertraut ist. Wenn davon aber zu viel verloren geht, geht auch
etwas an der angeblich doch so wichtigen Sicherheit verloren.
Während der durchschnittliche Staatsbesuch, selbst der eines
amerikanischen Präsidenten wenigstens noch gewisse Alibi-Elemente an
Begegnungen mit der Bevölkerung enthält, ist die bei den
Achtergipfeln praktizierte Form der Abgeschiedenheit bar jeder
solcher Rechtfertigung.
Wenn sie dann aber in solch einem Ausmaß und so offenkundig in den
Alltag von Bürgern eingreift, dann bedürfte dies auch besonderer
Rechtfertigung. Heute aber sagt jeder Polizist mit der allergrößten
Selbstverständlichkeit, dass da oder dort keiner durch dürfe. Wo und
wann aber hat dieses Volk seinen Vertretern den Auftrag erteilt, es
zum Zaungast zu machen?
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau