WAZ: Merkels Auftritt vor dem Parlament
Archivmeldung vom 21.01.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEiner ist angekommen, und zwar in der Opposition. Frank-Walter Steinmeier nutzte im Bundestag seine Chance zur Generalabrechnung. Er war angriffslustig und pointiert. Es war ein rollengerechter Auftritt, er tat der SPD, einer geschundenen Seele, gut. Umgekehrt hat Angela Merkel die Chance vertan, ihm den Schneid abzukaufen. Sie hat lustlos den Koalitionsvertrag rekapituliert.
Union und FDP brauchen was anderes: Mehr Biss, mehr Aufmunterung, vor allem ein paar mitreißende Botschaften. Ist es möglich, dass Merkel die Stimmung unterschätzt? Der Fehlstart ihrer Regierung ist rufschädigend, der Vorwurf der Klientelpolitik verheerend. Das Problem ist nicht eine Parteispende, die für viele ein Geschmäckle hat. Vielmehr wird ein Muster erkennbar. Schon im Koalitionsvertrag war die Handschrift von Interessengruppen - nicht nur der Hotelbranche, auch der Apotheker, der Steuerberater - unschwer zu erkennen. Dass Lobbyisten die Seiten wechseln - von der Atombranche ins Umweltressort, von der privaten Krankenkasse ins zuständige Ministerium - , passt ins Bild. Wenn die Vorwürfe unfair sind, muss Merkel sie energisch aus der Welt schaffen. Nur in der Großen Koalition war Angela Merkel in ihrer Paraderolle als Bundesnotarin stimmig.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung