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Westdeutsche Zeitung: E10 - der Kraftstoff mit Blamage-Risiko

Archivmeldung vom 07.03.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.03.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Jeden Tag neue Erkenntnisse, jeden Tag neue Schuldzuweisungen, jeden Tag dasselbe Spiel. Wären auf den Straßen nicht die Jecken los, könnte so mancher Autofahrer in Depressionen verfallen, wenn er hört und liest, wer da wie über ihn verfügen will. Es geht um E10, es geht um Sprit, der ein wenig umweltfreundlicher ist als das, was bisher in die Tanks der Autos gefüllt wird. Und es geht um ein Einführungs-Management, das diese Bezeichnung nicht verdient hat.

In Deutschland, das seit den Anfängen der Industrialisierung mit seinen Unternehmern, Erfindern und Ingenieuren ein Motor des Fortschritts in der Welt ist, scheint es unmöglich zu sein, neues Benzin so auf den Markt zu bringen, dass es erstens überall verfügbar ist und zweitens jeder Verbraucher das notwendige Mindestmaß an Informationen bekommt. Wäre zu Zeiten von Leuten wie Gottlieb Daimler, Carl Benz oder Adam Opel so gehandelt worden, dann führen die Jecken heute mit der Pferdedroschke von Wuppertal zum Zoch nach Düsseldorf.

Doch statt den Halbinformationsfluss endlich zu bremsen, setzen die üblichen Polit-Rituale ein. Bundesumweltminister Norbert Röttgen, heißt es, gerate zunehmend unter Druck. Diesen Prozess nutzen andere Beteiligte, sich in Sicherheit zu bringen. Die Tankstellenbetreiber informieren nicht, weil sie die Folgen von Falschberatung fürchten. Umweltschützer prangern E10 an, weil sie steigende Brotpreise befürchten. Schließlich bekämen Landwirte für den Anbau von Getreide für den sogenannten Biosprit mehr Geld. Gleichzeitig findet sich irgendwo ein Experte, der E10 zerstörerische Kraft gegen Motoren nachsagt, während die großen Automobilkonzerne genau jene These ins Reich der Fantasie verbannen.

Und in all der Kakophonie hält sich der Autofahrer die Ohren zu, fährt zur Tankstelle und kauft - viel teurer - was er schon immer gekauft hat. Dieser Witz ist so schlecht, dass er es nicht einmal in die Bütt schafft.

Morgen treffen sich die Beteiligten zum E10-Krisengipfel bei Wirtschaftsminister Brüderle. Wenn sich die Politik danach weiter von Konzernen, Verbänden und Lobbyisten an der Nase herumführen lässt, dann wird E10 scheitern. Und Deutschland, das Land der genialen Ingenieure, ist in der Welt blamiert.

Quelle: Westdeutsche Zeitung

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