Börsen-Zeitung: Im Landeanflug
Archivmeldung vom 13.10.2017
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Freigeschaltet durch André OttDie Zerschlagung von Air Berlin ist perfekt und Lufthansa der große Gewinner. Konzernchef Carsten Spohr hatte geduldig auf jenen Tag Mitte August gewartet, an dem Etihad bei Air Berlin den Stecker zog und die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Insolvenz anmelden musste.
Aller teuren Altlasten wie Schulden, Personal und Leasingverträgen enthoben übernimmt Lufthansa ein maßgeschneidertes Paket an Fliegern und Routen. Über den Zuschnitt hat der Konzern schon vor der Vertragsunterzeichnung mit den zuständigen Wettbewerbshütern in Brüssel gesprochen und Auflagen einkalkuliert.
Dennoch bleiben einige nicht unwesentliche Teile des Geschehens, die Lufthansa nur schwerlich kalkulieren kann. So ist nicht zuletzt von Bedeutung, was mit dem Rest von Air Berlin passiert, den die Kranichlinie aus kartellrechtlichen Gründen nicht übernehmen kann. Ebenso wie das Air-Berlin-Management hatte Spohr auf den "Partner" Easyjet gesetzt, mit dem neben Lufthansa als einzigem seit rund drei Wochen exklusive Verhandlungen geführt wurden. Sowohl was die Sondierungsgespräche in Brüssel angeht als auch beim Kaufpreis und den Folgekosten von rund 300 Mill. Euro dürfte der Konzern unterstellt haben, dass auch mit Easyjet ein Abschluss erzielt wird. Die Briten sind jener Wettbewerber, der für Lufthansa als berechenbar gilt, mit dem sie glaubt, am besten auf Augenhöhe konkurrieren zu können.
Doch Easyjet droht im Landeanflug abzudrehen und hat dem Vernehmen nach ihr Gebot gesenkt. Air Berlin verhandelt mit Hochdruck weiter und will - oder muss - nun auch erneut die Thomas-Cook-Tochter Condor als Interessentin in Betracht ziehen. Dabei drohen dem Insolvenzverwalter nicht nur erhebliche Einbußen gegenüber seinem bisherigen Szenario, sondern auch die Gefahr, dass Air Berlin das Geld ausgeht. Im Wettlauf gegen die Zeit wird seine Position täglich schwächer. Das weiß auch Easyjet, die sowohl den Preis drücken als auch lukrative Landerechte sichern will.
Falls Easyjet zu hoch pokert oder sich tatsächlich zum Rückzug entschließt, droht der Lufthansa doch noch unliebsame Konkurrenz im Heimatmarkt, wenn etwa Ryanair bei der Neuvergabe der Landerechte gut zum Zuge käme. Neben all diesen Unwägbarkeiten kann die Lufthansa überdies nicht sicher sein, dass die Air-Berlin-Piloten in Anbetracht von Gehaltsabschlägen bis zu 40% bei ihr Schlange stehen werden. Falls nicht könnte auch ihr Wachstumskurs von Personalmangel gebremst werden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es im Anflug auf die Landebahn noch ein paar Turbulenzen gibt.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Heidi Rohde