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Kein Weg zurück

Archivmeldung vom 23.02.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.02.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Ein Hintertürchen bleibt offen: Bundeskanzler Olaf Scholz hat als Reaktion auf Russlands Aggressionen gegen die Ukraine die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 "auf Eis gelegt". Faktisch trifft Scholz damit eine längst überfällige Entscheidung: Die umstrittene Ostseepipeline wird nicht in Betrieb gehen. Deutschlands Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen wird zumindest nicht noch größer, als sie ohnehin schon ist.

Doch in der arg technischen Herleitung dieser Entscheidung, dass nämlich eine "Neubewertung der Versorgungssicherheit" die Zulassung der Pipeline auf unbestimmte Zeit verzögern soll, schwingt implizit das Wörtchen "vorerst" mit. Und schon ist es wieder da, das Unbehagen darüber, wie schwer sich Scholz zuletzt mit klaren Aussagen zu Nord Stream 2 getan hat.

Dabei ist spätestens nach Wladimir Putins Entscheidung, die Separatistengebiete in der Ostukraine anzuerkennen und dorthin Truppen zu entsenden, kein Spielraum mehr für Zögerlichkeit: Wer einen so explizit antidemokratischen und völkerrechtswidrigen Kurs verfolgt wie Russlands Machthaber, kann kein umworbener Wirtschafts- und Handelspartner westlicher Demokratien sein.

Es ist also konsequent, dass die EU nun den Handel mit russischen Staatsanleihen untersagt und Hunderte Personen und Firmen auf die EU-Sanktionsliste setzt, ihre Auslandsvermögen einfriert und Einreiseverbote ausspricht. Doch sowenig Putin die militärischen Operationen auf Donezk und Luhansk beschränken wird, sowenig wird es bei Sanktionen bleiben können, die vorrangig auf Personen zielen, die in den Konflikt in der Ostukraine verwickelt sind.

Nur wenn jener Personenkreis, der Putins Macht stützt und finanziell am stärksten von seiner autokratischen Politik profitiert, substanzielle Einschränkungen und Kosten spürt, entsteht echter Druck. Auch ein Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift sollte kein Tabu sein. Für Europa sind das kostspielige Entscheidungen: Energie wird teurer, Handelsströme und Lieferketten werden unterbrochen, Finanzgeschäfte erschwert oder ganz unterbunden. Doch die Verteidigung von Demokratie und Völkerrecht ist keine buchhalterische Entscheidung.

Putins revisionistische Brandrede hat die Welt verändert. Und Europa spürt nun schmerzhaft: Die Erkenntnis, dass der Ausbau erneuerbarer Energien, Maßnahmen zur Senkung des Rohstoffverbrauchs und eine eigenständigere Rüstungs- und Verteidigungspolitik auch die politische Verwundbarkeit reduzieren, kommt reichlich spät.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Lutz Knappmann

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