Südwest Presse: Kommentar: Olympia
Archivmeldung vom 16.02.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist einem gerade einmal 20-Jährigen, der über viele Jahre hinweg auf seinen großen Traum vom Olympiasieg hingearbeitet hat, nachzusehen, wenn er nach dem Erreichen der Goldmedaille von "zwei richtig geilen Tagen" spricht.
Keine Frage, auch Wintersport-Deutschland freut sich zu Recht mit Felix Loch, dem neuen Rodler-König. Was sich aber bei dessen Coup nur wenige Stunden nach dem verheerenden, tödlichen Unfall des Georgiers Nodar Kumaritaschwili an der schicksalsträchtigen Bahn in Whistler abspielte, erfüllte schlicht das Kriterium der Pietätlosigkeit. Freilich hatten die Veranstalter durch die Verkürzung der schnellsten Eisrinne der Welt zu einer Eindämmung des Tempowahns gesorgt. Aber im Zielraum herrschte eine Atmosphäre, als sei nichts Tragisches geschehen. Eine vom Fernsehen engagierte Einpeitscherin sorgte punktgenau dafür, wann das hörige Publikum enthusiastisch zu jubeln hatte. Die spektakulären Bilder, die rund um den Globus gesendet wurden, sollten schließlich eine perfekte, heile Welt vermitteln. Das olympische Motto "citius, altius, fortius" - "schneller, höher, stärker" - führte lautstark Regie über allem anderen. Todesstille hat hier kaum einen Platz - von der ehrlichen Schweigeminute bei der Eröffnungsfeier in Vancouver einmal abgesehen. Dem Diktat "The show must go on" gehorchend, wird der Anstand widerstandslos auf dem Altar des TV-Kommerzes geopfert.
Quelle: Südwest Presse