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WAZ: Polens Premier in Berlin: Genügend Gründe für Offenheit - Kommentar von Hendrik Groth

Archivmeldung vom 31.10.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Jens Brehl

Die Aufgeregtheiten rund um den angeblichen Beschuss eines deutschen Butterdampfers in polnischen Gewässern haben sich vor zwei Wochen schnell gelegt. Dennoch macht die Episode deutlich, dass es im aktuellen deutsch-polnischen Verhältnis trotz gemeinsamer EU- und Nato-Partnerschaft nicht stimmt.

Sowohl Berlin wie Warschau scheinen hochsensibilisiert, scheinen nervös entweder nach Osten oder Westen zu schauen, scheinen den anderen nicht mehr verstehen zu wollen.

Für die deutsche Politik stellt sich die Frage, können die Schlussfolgerungen aus der Analyse der aktuellen polnischen Regierungsarbeit direkt angesprochen werden oder sucht man mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg diplomatische Kanäle oder Hilfe bei Verbündeten? Grund für offene Gespräche gibt es genug.

In Warschau regiert eine rechtspopulistische Koalition, die mit Ressentiments gegen Deutschland und Europa die Wahlen gewonnen hat. Am Kabinettstisch in Warschau sitzen Männer, die die in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebene Ächtung der Todesstrafe ablehnen, die Homosexuelle als abartig bezeichnen und wegen einer Karikatur die linke TAZ mit dem NS-Schundblatt Stürmer vergleichen. Auch wenn das gegenüber Polen ungeschickte Hauruck-Vorgehen des früheren Basta-Kanzlers Schröder bei der mit Russland geplanten Ostsee-Pipeline durchaus kritikwürdig ist, verbieten sich die polnischen Anspielungen auf den Hitler-Stalin-Pakt. Die derzeit in Polen Verantwortlichen erweisen so ihrem Land schon jetzt und mittelfristig ihrem eigenen Machtanspruch einen Bärendienst.

Fänden jetzt Neuwahlen statt, säßen die Populisten wieder auf den Oppositionsbänken. Die Mehrheit der Polen will eine engere europäische Zusammenarbeit und sieht in Deutschland einen guten, verlässlichen Nachbarn. Die polnische Regierung gaukelt indes verängstigten Landsleuten vor, Rechtssicherheit gegenüber angeblich aggressiven Deutschen garantieren zu können. Dafür muss sie der Vertriebenen-Präsidentin Steinbach eine Rolle zuschanzen, die diese jenseits von Oder und Neiße völlig überschätzte Politikerin in Deutschland überhaupt nicht inne hat. Polens Administration belegt unfreiwillig, dass sie weder die EU noch die Nato verstanden hat. Diese zwei Bündnisse fußen auf Werten, die jeden Revanchismus unmöglich machen. Mehr Sicherheit geht nicht. Mehr Gelassenheit tut not. Europa braucht ein beispielhaftes deutsch-polnisches Verhältnis, ähnlich der deutsch-französischen Freundschaft.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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