Rheinische Post: Europas Sinnkrise
Archivmeldung vom 29.10.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.10.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNun saßen sie also wieder zusammen in Brüssel, die europäischen Staats- und Regierungschefs, und haben sich die Nacht um die Ohren geschlagen. Es wurde gefeilscht wie immer, aber diesmal war es anders. Es ging um den Euro, nicht um die Festlegung von Milchquoten. Die Krise der Gemeinschaftswährung ist gefährlich, und doch offenbart sie nur eine noch viel gefährlichere Sinnkrise der EU.
Als der Euro vor 20 Jahren beschlossen wurde, taten seine Väter so, als würde der Währungsunion selbstverständlich die Politische Union folgen. Es kam anders. Wirtschaftlich hat sich der Euro als weltweit erste supranationale Währung glänzend bewährt; politisch erweist er sich zunehmend als Dynamit. Dauerhaft ließe sich die Euro-Krise nur entschärfen, wenn auch die Sinnfrage der EU beantwortet wird: Soll aus dem Staatenbund eine Föderation werden? Der politische Wille zu diesem Schritt, der das Ende der Nationalstaaten bedeuten würde, ist nirgends zu erkennen. Auch dieser Gipfel kann daher nur mit einem Kompromiss enden. Wenn es gut läuft, wird der Status quo optimiert, werden Mechanismen installiert, um mehr finanzielle Disziplin zu erzwingen. Das grundsätzliche Problem einer Währung ohne politischen Unterbau bleibt bestehen.
Quelle: Rheinische Post