Südwest Presse: Kommentar zur Leitzinserhöhung der EZB
Archivmeldung vom 02.03.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlTrippelschritt mit Ansage: Geradezu lehrbuchmäßig hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre gestrige Leitzinserhöhung in Szene gesetzt. Grund zur Zufriedenheit besteht für die Währungshüter um EZP-Präsident Jean-Claude Trichet trotzdem nicht.
Ganz im Gegenteil: Würden die Frankfurter Notenbanker ihre
Scheuklappen ablegen, müsste ihnen der Schaden geradezu ins Gesicht
springen, den sie mit der zweiten Zinserhöhung binnen zwölf Wochen
anrichten können. Es ist nämlich schon reichlich verwegen, die
Inflationsprognose für das laufende Jahr erneut anzuheben, wo doch
längst absehbar ist, wann der Teuerungsschub in der Preisstatistik
ausläuft, den die Explosion der Ölpreise im vergangenen Jahr
auslöste. Bleibt uns ein weiterer Ölpreisschub erspart, sorgt der
statistische Basiseffekt für Entspannung. Und auch die Erwartung
einer anziehenden Konjunktur taugt nicht zur Rechtfertigung einer
Zinserhöhung. Denn Inflationsprozesse kommen nur in Gang, wenn die
Konsumgüterkonjunktur gut läuft. Doch davon sind wir meilenweit
entfernt.
Schlimmer noch: Geldpolitische Maßnahmen greifen erst mit einer mehrmonatigen Verzögerung. Doch dann sind wir schon gefährlich nahe an der Mehrwertsteuererhöhung, die gleichfalls dämpfend auf das Wachstum wirken wird. Ob der vorderhand keineswegs robuste Aufschwung eine derartige Doppelbremse verträgt, darf bezweifelt werden.
Quelle: Pressemitteilung Südwest Presse