Neue Westfälische (Bielefeld): Unanständiges Geschäft
Archivmeldung vom 27.05.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEr wollte ein großserbisches Reich schaffen. Dafür ging Ratko Mladic über Leichen. Das alles ist akribisch festgehalten in Dokumenten, Fotos und Filmen, die dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag vorliegen und deren Beweislast erdrückend, deren Inhalt erschütternd ist. Sie erzählen von einem Krieg, mit dem das Rad der Geschichte um 600 Jahre zurück gedreht werden sollte. Sie berichten von Vertreibung, Folter und Massenmord.
Sie zeigen, wozu eine entfesselte Soldateska bereit sein kann, wenn man sich ihr nicht entschlossen genug entgegen stellt. Mladic' Festsetzung gibt den von ihm und seiner Soldateska gequälten und gedemütigten Menschen die Hoffnung auf Genugtuung zurück. Noch einmal können sie in dem bevorstehenden Verfahren ihre Geschichte der Weltöffentlichkeit in Erinnerung rufen. Alle müssen ihnen zuhören: Ankläger, Richter und besonders das Volk der Serben, in dessen Namen Mladic meinte zu handeln. Mladic' Festnahme markiert einen Wendepunkt. Eineinhalb Jahrzehnte lang konnte er sich verbergen. Niemand wurde seiner habhaft, obwohl er zu den weltweit meist gesuchten Kriegsverbrechern zählte. In Teilen Serbiens schwamm er wie ein Fisch im Wasser, wurde geschützt von treu ergebenen Nationalisten. Und der inzwischen demokratischen Regierung wurde lange Zeit nachgesagt, auch sie halte ihre schützende Hand über Mladic. Gestern sind diese schützenden Hände weggezogen worden. Mladic wurde gestellt, weil Serbien den Anschluss an Europa braucht, wenn es wirtschaftlich gesunden will. Ein Tauschgeschäft kündigt sich an: Auslieferung gegen EU-Eintrittskarte. Ein unanständiges Geschäft, dass nicht nur die Opfer verhöhnt, sondern auch die europäische Wertegemeinschaft. Tadic verdient ein faires Verfahren, Serbiens EU-Beitritt aber ebenso.
Quelle: Neue Westfälische (ots)