Lausitzer Rundschau: Vor 40 Jahren endete der "Prager Frühling"
Archivmeldung vom 20.08.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm August 1968, mitten im Kalten Krieg, schien so manchem Beobachter die militärische Besetzung der damaligen Tschechoslowakei noch ein durchaus verständlicher Vorgang. Die beiden Supermächte UdSSR und USA standen sich hochgerüstet gegenüber.
Sie duldeten in ihrem Vorfeld keine unkontrollierbaren Entwicklungen. Die USA führten in Vietnam einen gnadenlosen Bombenkrieg gegen kommunistische Aufständische. Sie hatten erst im Vorjahr zugesehen, ja mitgeholfen, als in Griechenland das Militär die Panzer gegen das Volk rollen ließ. Hatte da nicht das Moskauer Politbüro umgekehrt jedes Recht, in Prag mit Waffengewalt zu verhindern, dass die Dinge aus dem Ruder liefen? Wer damals so dachte oder gar heute noch so redet, verkennt die Bedeutung dieses 21. August, an dem die Truppen des Warschauer Paktes den Tschechen und Slowaken die Grenzen der Selbstbestimmung verdeutlichten. Denn in der CSSR war ja nicht eine von den USA unterstützte Untergrundbewegung dabei, die Errungenschaften des Sozialismus zu beseitigen. In Prag und Bratislava hatten vielmehr die Kommunisten selbst die Lehren gezogen aus den Verbrechen der Vergangenheit und dem Erstarren eines Systems, das die Versprechen von einer glücklicheren Zukunft nicht halten konnte. Erstmals überhaupt unternahm eine Regierung im Sowjetblock den Versuch, seine Herrschaft auf die Zustimmung wenigstens einer Mehrheit der Bürger zu begründen. Dies wurde aus einer Reihe guter Gründe als Bedrohung für die roten Machteliten in Moskau, aber auch in den anderen Hauptstädten des Warschauer Paktes empfunden. Eine Gefahr aber für die Idee einer gerechten, sozialen, freien Gesellschaft war der Prager Frühling zu keinem Zeitpunkt. Er war im Gegenteil der dann letzte Versuch, den großen emanzipatorischen Anspruch der marxistischen Linken doch ins Glück münden zu lassen. Deswegen auch verfolgten in ganz Europa die Menschen mit gespannter Aufmerksamkeit die überraschende, so viel versprechende Entwicklung in dem kleinen Land. Für viele Menschen, die sich bis dahin an die Hoffnung geklammert hatten, es gebe eine Alternative zum Kapitalismus, signalisierten die Bilder von den Panzern in Prag das bittere Ende. Und geweint wurde nicht nur an der Moldau - die hilflose Verzweiflung angesichts der Kriegsmaschinerie lähmte auch weit jenseits der tschechoslowakischen Grenzen. Denn eine Ideologie, die den Menschen, die sie zu beglücken vorgibt, so tief misstraut, hatte keine Zukunft mehr. Im August 68 wurde in Prag nicht nur der Protest niedergewalzt. An diesem fatalen Tag europäischer Geschichte verspielte die kommunistische Bewegung den letzten Rest an Existenzberechtigung. Die Tränen dieses Tages waren die Tränen des Abschieds.
Quelle: Lausitzer Rundschau