Nahost-Eskalation: Schluß mit britischer Geopolitik!
Archivmeldung vom 22.11.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKaum war Präsident Barack Obama (übrigens mit aktiver Unterstützung des Irakkrieg-Lügners Tony Blair) wiedergewählt, eskalierte der geopolitische Vorstoß zum Krieg im Nahen Osten. Der britische Premierminister David Cameron reiste nach Saudi-Arabien, Kuwait und Jordanien und kündigte eine Ausweitung der Kampagne zum Sturz des Regimes in Syrien an. Hierzu wurde unter Aufsicht der USA, Englands und Frankreichs am 11.11. in Doha/Katar eine sog. „einheitliche“ Opposition gebildet, für deren Unterstützung England und Frankreich die offene Bewaffnung erwägen.
Mit den Patriot-Raketensystemen an der türkisch-syrischen Grenze, die mit deutschen Soldaten bestückt werden sollen, wird de facto eine Flugverbotszone in Syrien geschaffen und ein weiterer gefährlicher Schritt zur Eskalation getan. Dazu kommen die israelische Offensive gegen Gaza als mögliche Vorstufe für einen israelischen Angriff auf den Iran.
Auch in Jordanien, dessen Haltung im Fall Syrien und Irak offenbar nicht dem entspricht, was Saudi-Arabien und führende westliche Länder sich vorstellen, gibt es Unruhen. Am 13.-14.11. kam es im ganzen Land zu Demonstrationen, nachdem die Regierung eine Erhöhung der Benzin- und Erdgaspreise um bis zu 54% angekündigt hatte. Die Demonstranten riefen zum Sturz von König Abdullah II auf.
Über den Hintergrund der Preiserhöhung wurde jedoch in den westlichen Medien kaum berichtet: Die Preiserhöhung kam wesentlich dadurch zustande, daß Saudi-Arabien seine jährliche Unterstützungszahlung an Jordanien von 2 Mrd.$ aussetzte und daß Ägypten kaum noch Gas liefert. Die Regierung mußte Öl und Gas auf dem freien Markt kaufen und dazu einen Kredit beim IWF aufnehmen, der die Kürzung der Subventionen zur Bedingung machte. Faktisch wird Jordanien damit dafür „bestraft“, daß es sein Territorium nicht als Ausgangsbasis für große Militäroperationen gegen Syrien zur Verfügung stellt. Das war die persönliche Botschaft von König Abdullah an David Cameron bei dessen Besuch in Amman am 7.11.
Ein weiterer Grund mag darin liegen, daß Jordanien eine strategische Partnerschaft mit der Regierung im Irak anstrebt, die ihrerseits gegen einen Sturz der syrischen Regierung Assad ist. Beide Länder schlossen in diesem Jahr eine Vereinbarung über den Bau einer Öl- und Gaspipeline vom Irak durch Jordanien für Exporte über den jordanischen Hafen Akaba am Roten Meer, wofür Jordanien zu Sonderpreisen beliefert werden soll. Dies wäre eine Neuauflage der Beziehungen Jordaniens zum Irak bis dem Golfkrieg 1991, als Akaba ein bedeutender Hafen für Warenlieferungen in den Irak war.
Die Proteste haben Ähnlichkeiten mit den “Regimechange“-Operationen in Libyen und Syrien: soziale Konflikte werden ausgenutzt und ausländische Elemente mischen sich ein. In Jordanien leben mehr als 200.000 syrische Flüchtlinge, wovon viele das Regime in Damaskus bekämpfen und Berichten zufolge einige an den Demonstrationen teilnahmen. 2 Mio. Menschen in Jordanien, mehr als die Hälfte der Bevölkerung, stammen aus palästinensischen Familien, die während der israelisch-arabischen Kriege 1948 und 1967 fliehen mußten.
Hier zeigt sich erneut: Eine dauerhafte Zukunftsperspektive der Menschen im Nahen Osten ist nur auf der Grundlage wirtschaftlicher Entwicklung und der Beendigung der britisch-imperial gesteuerten Geopolitik in der Region möglich. Deutschland darf sich jetzt auf keinen Fall an Schritten beteiligen, die die strategische Lage noch weiter anheizen – “Bündnis” hin oder her.
Quelle: politaia.org / http://www.bueso.de/node/6165