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Das heimliche Daten-Schleppnetz von Google im Dienste der Behörden: Eine beunruhigende Entwicklung

Archivmeldung vom 19.10.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.10.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Norman Lewis schrieb den folgenden Kommentar: " Die unabsichtliche Veröffentlichung von Gerichtsdokumenten hat offenbart, dass die US-Regierung beunruhigend häufiger als bisher angenommen richterliche Anordnungen an Google aushändigt. Mit diesen wird der Internetgigant aufgefordert, Daten über jeden bereitzustellen und herauszugeben, der bestimmte Suchbegriffe in die Suchmaschine von Google eingegeben hat. In der Strafverfolgung wird das Gleichgewicht zwischen dem Recht auf Gerechtigkeit und dem Recht auf Privatsphäre immer eine Grauzone bleiben."

Lewis weiter: "Doch wenn das Gleichgewicht zwischen Strafverfolgung und dem Recht auf Privatsphäre, Gewissen und freie Meinungsäußerung im Namen der Gerechtigkeit ausgehebelt wird, insbesondere im Geheimen, existiert dieses Gleichgewicht nicht mehr. Es muss wiederhergestellt werden.

Der von Forbes aufgedeckte Fall geht auf eine Ermittlung der Bundesbehörden der USA von 2019 in Wisconsin zurück. Einige Männer sollen an Menschenhandel und sexuellem Missbrauch von Minderjährigen beteiligt gewesen sein. Die Ermittler wandten sich an Google und baten darum, Informationen zu allen Personen bereitzustellen, die nach dem Namen eines Opfers gesucht hatten sowie nach den zwei Schreibweisen des Namens der Mutter und ihrer Adresse. Google lieferte alle relevanten Google-Konten und IP-Adressen derjenigen Nutzer, die nach oben Genanntem gesucht hatten. Aus den Gerichtsdokumenten ist jedoch nicht zu entnehmen, von wie vielen Nutzern Google Daten an die Behörden übergeben hat.

Beunruhigend an diesem Fall ist, dass alles im Verborgenen stattfand und Google der Aufforderung der Behörden nachgekommen ist, ohne bekannt zu geben, dass es private Daten seiner Nutzer an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben hat. Der Einspruch, wonach solche Vorgänge selten seien, ist schwer zu verteidigen, da niemand weiß, wie zahlreich diese Vorgänge tatsächlich sind.

Der Forbes-Artikel zitiert beispielsweise Jennifer Lynch, Leiterin für Streitangelegenheiten in Fällen von Überwachung bei der Electronic Frontier Foundation (EFF). Sie weist darauf hin, dass im Jahr 2018 drei Aufforderungen an Google gingen, Daten zu Suchmaschinen-Eingaben auszuhändigen, um Ermittlungen bei Bombenanschlägen in Austin durchzuführen, bei denen zwei Menschen ums Leben kamen. Diese Daten waren noch umfassender als jene im Fall aus Wisconsin, da sie IP-Adressen und Google-Kontoinformationen von Personen enthielten, die nach verschiedenen Adressen suchten. Außerdem enthielten sie einige Begriffe, die mit dem Bau von Bomben in Verbindung gebracht wurden, so etwa "niedriger Sprengstoff" und "Rohrbombe". Ebenso besorgniserregend ist die Tatsache, dass Microsoft und Yahoo ähnliche Aufforderungen für ihre jeweiligen Suchmaschinen erhielten.

Der zu begreifende Punkt ist, dass diese "Suchbegriff-Aufforderungen" richtiggehend einem "Fischen mit dem Schleppnetz" gleichkommen, in der Hoffnung, mögliche Verdächtige zu fangen, deren Identität die Regierung nicht kennt. Es ähnelt den Aufforderungen der Behörden an Google, Geofence-Daten zu jeder Person bereitzustellen und herauszurücken, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort aufgehalten hat. In letzterem Fall aus dem Jahr 2017 unterzeichnete ein Richter in Minnesota einen richterlichen Befehl, mit dem die Polizei bei Google Geofence-Daten von jedem anfordern konnte, der in einer bestimmten Stadt nach dem Namen eines Betrugsopfers gesucht hat.

All diese Fälle zeigen, dass Google und andere Betreiber von Suchmaschinen weiterhin solchen umstrittenen Anfragen der Behörden nachkommen, trotz Bedenken hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit und der Möglichkeit, dass unschuldige Personen, die zufällig nach den entsprechenden Begriffen gesucht haben, mit ins kriminelle Spiel gebracht werden. Die wirkliche Gefahr ist der Präzedenzfall, der dadurch geschaffen wird. Während jede Anordnung aufgrund des Einzelfalls gerechtfertigt sein mag, verstößt das etablierte Prinzip möglicherweise gegen den Schutz des vierten Zusatzartikels der Verfassung der Vereinigten Staaten zum Schutz vor unangemessener Durchsuchung und gegen den ersten Zusatzartikel zur Meinungsfreiheit.

Die orwellschen Implikationen sind immens. Die Verwendung von Suchbegriffen in Suchmaschinen zur Identifizierung von Gesetzesbrechern dringt in den Werkzeugkasten der polizeilichen Ermittlungstaktiken. Hinter einem Suchbegriff können unzählige unschuldige oder schändliche Absichten stecken. Doch die Befähigung der Polizei, in das Privatleben der Bürger einzudringen, wird somit durch die Interpretation eines Polizisten darüber bestimmt, was ein potenzieller Täter in der Vergangenheit gedacht haben könnte.

Jennifer Granick, Beraterin für Überwachung und Cybersicherheit bei der Amerikanischen Bürgerrechtsunion (ACLU), stellte fest, dass sich dieses Vorgehen "wie ein virtuelles Schleppnetz durch die Interessen, Überzeugungen, Meinungen, Werte und Freundschaften der Öffentlichkeit zieht, ähnlich dem Gedankenlesen, angetrieben von der Google-Zeitmaschine, die alles aufzeichnet, was von wem in der Vergangenheit gesucht wurde".

Die Vorstellung, dass Daten aufgrund einer Suche in einer Suchmaschine an den Staat weitergegeben werden können, ist erschreckend. Und die Tatsache, dass all dies hinter verschlossenen Türen stattfindet und damit von einer öffentlichen Debatte oder einer Regulierung isoliert wird, sind Gründe, sich energisch dagegen zu wehren.

Das eigentliche Gleichgewicht, das es herzustellen gilt, ist nicht Privatsphäre gegen Strafverfolgung, sondern die Wahrung und der Schutz der Grundfreiheiten höher zu gewichten als die Erfordernisse der Strafverfolgungspraxis. Ausnahmen sind natürlich notwendig – aber das ist der springende Punkt.

Das Prinzip sollte sein, dass sie Ausnahmen bleiben und nicht zur Norm werden, dass es öffentliche Rechenschaftspflicht gibt und keine Hinterzimmer-Anordnungen oder Komplizenschaft zwischen dem Staat und Big Tech.

Die Aufhebung der Grundsätze der Gewissens- und Meinungsfreiheit stellt eine ernstere Bedrohung für die Zukunft der demokratischen Gesellschaft dar als einzelne kriminelle Handlungen. Dieses Prinzip erster Ordnung muss öffentlich gegen den Staat und vor allem gegen die Big-Tech-Giganten verteidigt werden."

Norman Lewis ist Schriftsteller, Sprecher und Berater für Innovation und Technologie. Er war zuletzt Direktor bei PriceWaterhouseCoopers, wo er einen Crowdsourcing-Innovationsservice gegründet und geleitet hat.

Quelle: RT DE von Norman Lewis

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