Börsen-Zeitung: Die Erholung bleibt gefährdet
Archivmeldung vom 15.08.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.08.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSolche Zahlen liest man gern: Um fast 1% ist die Wirtschaftsleistung in Deutschland und der gesamten Eurozone von April bis Juni nach oben geschnellt. Hielte dieses Wachstumstempo das ganze Jahr über an, man müsste Angst vor einer Überhitzung haben.
Aber diese unerwartet große Expansion ist zum Teil Einflüssen
geschuldet, die nicht von Dauer sein werden. Gerade mit Blick auf die
Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsprodukts ist an erster Stelle
das Wetter zu nennen und an zweiter die Fußballweltmeisterschaft -
Letztere war aber ein Einmaleffekt.
Der harte Winter hatte zunächst zu Produktionspausen auf den
Baustellen gezwungen. Die Ausfälle wurden dann alle im zweiten
Quartal wieder hereingeholt - ja, es ging wohl sogar noch darüber
hinaus. Und das lässt durchaus für den weiteren wirtschaftlichen
Verlauf hoffen. Es ist Beweis dafür, welch kräftiger Konjunkturmotor
die Investitionen inzwischen geworden sind. Und dies ist auch ganz
notwendig, soll das Wachstum in Deutschland nicht abreißen, da der
Export an gesamtwirtschaftlicher Zugkraft offenbar eingebüßt hat.
Soll aber die Binnennachfrage nicht nur auf den Investitionen
ruhen, sondern auch auf deren zweitem Pfeiler, dem Konsum, muss die
Bundesregierung ihre Pläne zur Erhöhung der Mehrwertsteuer ernsthaft
überdenken. Denn ansonsten wird die sich in den Statistiken so
langsam abzeichnende Belebung am deutschen Arbeitsmarkt den privaten
Konsum nicht nur weniger anregen, als zu erwarten wäre, sondern
womöglich gar völlig wirkungslos verpuffen.
Fast noch wichtiger an den jetzt veröffentlichten Wachstumszahlen
sind allerdings die Höherrevisionen für die vorherigen Quartale. So
passen die Daten nämlich besser zu dem Bild, das die
Stimmungsindikatoren seit vielen Monaten zeichnen und dem mancher
nicht so recht trauen wollte. Dies sollte die Glaubwürdigkeit der
Frühbarometer stärken, zeigt sich in ihnen am aktuellen Rand doch
bereits wieder eine leichte Abkühlung. Sollte das Vertrauen der
Unternehmen aber angesichts der drohenden Mehrwertsteuererhöhung,
unzureichender oder schon im Ansatz völlig missratener Reformen etwa
der Unternehmensbesteuerung oder im Gesundheitswesen weiteren Schaden
erleiden, werden die Investitionen abbrechen - und die Erholung am
Arbeitsmarkt wäre schnell und nachhaltig beendet. Der Aufschwung
auch.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung