Leipziger Volkszeitung zum Bahnstreik-Urteil
Archivmeldung vom 03.11.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.11.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMan mag von dem Urteil der Chemnitzer Richter halten, was man will. Und man kann auch darüber sinnieren, ob ein Konflikt zwischen einem Arbeitgeber und einer Gewerkschaft die Gerichte überhaupt etwas angeht. Wichtig ist aber, dass das sächsische Landesarbeitsgericht jetzt eine Richtung vorgegeben hat, wie in die gnadenlos festgefahrene Tarifauseinandersetzung wieder Bewegung kommen kann.
In einen Streit,
bei dem zuletzt auf beiden Seiten nur noch Sturheit und
millimeterscharfes Beharren auf den eigenen Positionen triumphierten.
Dabei hat keiner der beiden Kampfhähne Veranlassung anzunehmen, sein
Handeln sei von edleren Motiven geadelt. Die GDL-Chefs, die zu Recht
deutlich mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für die Lokführer
fordern, müssen sich fragen lassen, warum sie das erst jetzt und so
massiv machen. Jahrelang haben sie herzlich wenig für ihre
unterbezahlten Mitglieder getan und sind auf die Abschlüsse der
anderen Bahngewerkschaften aufgesprungen. Und die Bahn-Bosse? Obwohl
sie genau sahen, dass die Lokführer unter teilweise unmöglichen
Arbeitsbedingungen ihren Dienst verrichten mussten, stellten sie sich
blind und agierten quasi unter dem Motto: Wer nichts fordert, der
nichts kriegt. Möglichkeiten, diesen Konflikt viel eher und weniger
muskelspielend zu lösen, hätte es genug gegeben.
Nun also dürfen die Lokführer ihren Streik auch auf den Güter- und
Fernverkehr ausdehnen. Das war beinahe nicht anders zu erwarten. Das
Recht auf Arbeitskampf ist ein zu hohes demokratisches Gut, als dass
man es wie mit einer Streusandbüchse mal ein bisschen hier oder da
verteilen könnte und anderswo wieder nicht. Ob die Erlaubnis dafür
den GDL-Mitgliedern sehr viel bringt, bleibt abzuwarten. Was aber
heute schon sicher ist, das sind die gefährlichen Folgen eines
solchen Ausstands. Durch das Bestreiken des Güterverkehrs droht der
Volkswirtschaft ein enormer Schaden, 50 Millionen Euro täglich sind
dann ganz schnell zusammen. Hält der Arbeitskampf längere Zeit an,
kann er die Wirtschaft sogar in den Kollaps stürzen. Und wird der
Fernverkehr lahm gelegt, müssen hunderttausende unbeteiligte
Fahrgäste richtig darunter leiden. Anders als beim Streik im Nah- und
S-Bahn-Verkehr bleibt ihnen dann kaum noch eine Möglichkeit, auf
andere Transportmittel umzusteigen. Die Gefahr, dass die Bahn ihr
Image als halbwegs verlässliches Verkehrsmittel einbüßt, ist unter
diesen Umständen riesengroß. Das erschwert die Fahrt zum
Börsenparkett massiv.
Denkbar, dass die GDL die ihr durch das Chemnitzer Urteil in die Hand
gegebene Karte voll ausreizt. Möglich, dass die Bahn an ihrem
derzeitigen Angebot hartnäckig festhält. Nicht ganz auszuschließen
aber auch, dass beide Parteien doch noch einen Weg der Vernunft
finden. So oder so: Das Gegeneinander-Kämpfen kann das
Miteinander-Sprechen nicht ersetzen. Nur so wird es letztlich eine
Lösung geben. Wer von den beiden Streitparteien sein Renommee
allerdings weiter ramponieren möchte, der muss nur weitermachen wie
bisher.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung