Rheinische Post: Versöhnen statt spalten
Archivmeldung vom 16.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn Matthias Platzeck eine von vielen Zigaretten rauchig gefärbte Stimme besäße und man während seiner Rede auf dem SPD-Parteitag die Augen geschlossen hätte, dann wären gestern Erinnerungen an die kuscheligsten Momente mit Johannes Rau wach geworden.
In Karlsruhe
breitete jetzt wieder ein Parteipräsident gewinnend seine Arme aus,
und alle fanden in ihnen Vergebung und Frieden, die da zuvor mühselig
und beladen durch die rote Reichshälfte getaumelt waren: die arg
gezauste Ute Vogt, der als glatter Karrierist geschmähte Hubertus
Heil, selbst die hinterlistige Andrea Nahles.
Versöhnen statt spalten lautete das heimliche Motto der
Platzeck-Rede. Sie markierte so einen Kulturbruch in der jüngeren
SPD-Geschichte. Platzeck definiert Politik mehr als Stil- denn als
Sachfrage. Er ist spürbar entsetzt von seinen zehn Jahren Erfahrung
mit der sich zerfleischenden Enkel-SPD, bei der oft nur noch die
blanken Knochen leuchten.
Programmatisch blieb Platzeck allerdings so blass, wie es seine
Regierungsbilanz in Brandenburg ist. "Linkssein" etwa ist für ihn der
"Geist der Kooperation". Das ist zu wenig für einen Linken. Denn das
könnte Friedrich Merz auch unterschreiben.
Die Sozialdemokraten haben gestern vor allem einen Moderator an ihre
Parteispitze gewählt. Das ist gut für die Zukunftsfähigkeit der immer
noch brüchigen großen Koalition, zumal Angela Merkel als
"sozialisierte Ostdeutsche" (Platzeck) ähnlich tickt. Für die
Programmpartei SPD jedoch ist das dürftig. Aber das darf man in der
SPD derzeit nicht laut sagen. Allenfalls denken.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post