Neue Westfälische (Bielefeld): Ökostrom-Netz unter der Nordsee
Archivmeldung vom 06.01.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin braves Huhn, das legte an jedem Tag ein Ei. Es kakelte, mirakelte, spektakelte als ob's ein Wunder sei: Seit über 100 Jahren gibt es dieses Volkslied. So alt der Text auch ist, er drängt sich auf, verfolgt man das Gebaren rund um den Plan für ein Hochspannungsnetz unter der Nordsee. Experten sprechen von einer Zeitenwende auf dem europäischen Energiemarkt, Regierungssprecher verkünden stolz die Terminierung erster Treffen aller Koordinatoren.
Tatsache aber ist: Das, was hier so vollmundig angekündigt wird, ist eine völlig verspätete Maßnahme des selbsternannten Klimaschutzvorreiters Europa. Und der muss aufpassen, dass er dem blamablen Auftritt beim Gipfel in Kopenhagen mit der allzu stolzen Präsentation des neuen Projektes nicht noch eins draufsetzt. Denn wie vorbildlich kann eine EU nach außen wirken, die sich in Dänemark als feuriges Zugpferd präsentiert und die Energiepolitik zu Hause immer noch in vorsintflutlicher Kleinstaaterei betreibt? Wie viel Leitbild kann eine EU bieten, die großspurig verkündet, bis 2020 ein Fünftel ihres Stroms aus regenerativen Quellen zu beziehen, die Erzeugnisse aus den Windparks mit ihrem Stromnetz aber gar nicht mehr aufnehmen kann? Bereits im Jahr 1997 sind mit dem Kyoto-Protokoll weltweit geltende Vorgaben zum Klimaschutz beschlossen worden. Da fragt man sich fast verzweifelt, wie weit es mit dem Klimabewusstsein überhaupt her ist, wenn die EU erst jetzt, 12 Jahre später, die Grenzen ihres eigenen Erdteils überwindet und ein Energienetz aufbaut. Wobei von Aufbau noch keine Rede sein kann, steht die Technik noch nicht mal zur Verfügung. Da ist es doch beruhigend zu erfahren, dass alle beteiligten Ministerien noch bis Herbst dieses gerade beginnenden Jahres immerhin eine Absichtserklärung für das Projekt unterzeichnen wollen.
Quelle: Neue Westfälische