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WAZ: Die Tarifrunde der Klinikärzte

Archivmeldung vom 15.01.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.01.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Einer Minderheit anzugehören, kann ein mächtiges Privileg sein. Wer kann, was die meisten nicht können, ist rar und damit teuer. Auf diesem Vorteil basiert der wachsende Erfolg kleiner Splittergewerkschaften. Die Piloten blieben 2001 am Boden und erstritten 30 Prozent mehr Lohn. Die Lokführer legten den Zugverkehr lahm - elf Prozent. Nun sind wieder die Klinikärzte an der Reihe. Oder hinkt der Vergleich?

Er hinkt insofern, als dass Klinikärzte über die Stunden, die da in ihrem Arbeitsvertrag stehen, nur müde lächeln können. Sie arbeiten in der Regel mehr als sie müssten und auch mehr als sie sollten. Wenn sie deshalb mehr Geld verlangen, nutzen sie nicht einfach ihre Macht aus, Krankenhäuser lahmzulegen. Denn dass ohne sie Menschen leiden, ist gleichsam eine Bürde, die kaum angemessen entlohnt werden kann.

Andererseits führt der Marburger Bund alle Vorteile einer Spartengewerkschaft ins Feld. Er droht schon mit Streiks, bevor der Verhandlungspartner Luft holen kann. Und bevor die Ärzte überhaupt daran denken. Dabei hat die Gewerkschaft ihr Meisterstück bereits 2006 gemacht: Seit dem ersten eigenständigen Tarifvertrag ist der Marburger Bund anerkannter Verhandlungspartner. Als solcher könnte er zum tarifpolitischen Jahresgeschehen übergehen. Stattdessen fordert er, die Streikkeule schwingend, zehn Prozent, die keine Kommune zahlen kann.

Wie Piloten und Lokführer reklamieren die Klinikärzte eine Sonderrolle. Die weist ihnen die besondere Verantwortung ihres Berufes auch zu. Gleichwohl nehmen sie in Kauf, dass ihre Besserstellung Entbehrungen Anderer nach sich zieht. Die Klage der Patientenverbände über zu wenig Pflegepersonal in Kliniken ist nicht verhallt. In Zeiten fester Klinikbudgets geraten zwangsläufig weitere Pflegestellen in Gefahr, wenn die Lohnkosten für Ärzte zu stark steigen.

Man mag den Ärzten mehr Geld wünschen. Dem Marburger Bund Erfolg zu wünschen, fällt schwer. Ihm haftet auch unter Ärzten der Ruch einer Elitegewerkschaft an. Schließlich holte er 2006 vor allem für die Oberärzte das Maximale heraus, während die unterbezahlten, überarbeiteten Assistenzärzte im Streikzelt das Volk beschwichtigen durften.

Hohe Forderungen stellen auch andere, auch die Massengewerkschaften. So verlangt die IG Metall acht Prozent mehr Geld in der Stahlbranche. Doch die boomt immerhin. Die meisten Arbeitgeber der Klinik-ärzte, die Kommunen, erleben den Boom als überschuldete Zuschauer.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Stefan Schulte)

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