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Ohrfeige

Archivmeldung vom 06.12.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.12.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Es ist selten, dass ein Unternehmen in einer Ad-hoc-Mitteilung so viele schlechte Nachrichten unterbringen muss, wie es FlatexDegiro am Wochenende getan hat. Zunächst hat die BaFin in einer Sonderprüfung Mängel in der Organisation und Führung des Unternehmens festgestellt. Dann wurde eine Unterkapitalisierung der FlatexDegiro Bank AG festgestellt. Und außerdem sah sich CEO Frank Niehage noch gezwungen, die bereits gesenkte - und kürzlich erst bestätigte - Prognose für das laufende Geschäftsjahr nach unten hin anzupassen. Vier Wochen vor Jahresschluss wurde die Erwartung für die operative Marge (Ebitda) um satte 5 Prozentpunkte auf 37 % reduziert und die Umsatzerwartung von mindestens 400 Mill. auf 380 Mill. Euro gesenkt.

Das reflektiert natürlich auch das im Brokerage eingetrübte Umfeld - aber da hätte das Unternehmen besser früher die Latte niedriger gelegt, denn der aufziehende Sturm war absehbar.

Von den Anlegern kassierte Niehage eine Ohrfeige. Die Aktie gab in der Spitze um 38 % nach und markierte ein Dreijahrestief. Auch am Montag schaffte es das Unternehmen nicht, die Nerven der Aktionäre zu beruhigen. Mit einem Marktwert von nur noch 800 Mill. Euro könnte FlatexDegiro tatsächlich zum Übernahmekandidaten werden, wenn die Altaktionäre zu derzeitigen Preisen abgabebereit wären. Sonderlich viel Upside gibt es nicht für die Aktie, denn die Online-Broker stehen vor einem fürchterlichen Geschäftsjahr 2023. Das Trading-Volumen dürfte sich weiter abschwächen, da die Retail-Kunden im Rahmen der allgemeinen Konsumzurückhaltung eher geneigt sein könnten, aufgrund der Teuerung Geld aus ihren Depots abzuziehen, um anderswo Lücken zu stopfen. Immerhin tasten sie die Wertpapiersparpläne bislang nicht an, wie im Markt zu hören ist.

Vor diesem allgemeinen Hintergrund im Wertpapierhandel bröckelt es auch bei den Neobrokern. Einige sind bereits auf Käufersuche: So soll J.P. Morgan ein Auge auf die britische Freetrade geworfen haben, die zugibt, dass sie eine Finanzierung sucht, derzeit aber keine Due-Diligence-Prozesse stattfänden. Ebenfalls auf Kapitalsuche befindet sich die niederländische Bux. Die sah sich aber immerhin in der Lage, am Montag die Übernahme der spanischen Rivalin Ninety Nine zu stemmen - wohl dem, der in guten Zeiten ausreichend Kapital aufgenommen hat.

Darüber hinaus droht der Branche von weiterer Seite Gegenwind: Auch wenn inhaltlich fast alles dagegenspricht, dürften die in der Branche üblichen Rückvergütungen von Marktmachern an Broker (Payment for Orderflow, PFOF) nahezu komplett eingeschränkt werden, selbst wenn deutsche Institute in Brüssel noch darum ringen, das unsinnige Verbot abzubiegen. Neobroker wie Trade­ Republic rüsten sich dafür, indem sie die Option verfolgen, einen eigenen Marketmaker aufzustellen. Allein die aufsichtlichen Genehmigungen dafür dürften sich ziehen.

Bei der nun einsetzenden Konsolidierung im Brokerage wird Frank Niehage zusehen, auf der aktiven M&A-Seite zu stehen - wenn er denn bei FlatexDegiro am Ruder bleibt. Mit Muhamad Chahrour wird ihm der bisherige Finanzvorstand an die Seite gestellt als Co-CEO, der das Tagesgeschäft als COO steuert. Es riecht ein bisschen nach einer Wachablösung.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)  von Björn Godenrath

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