Das WESTFALEN-BLATT (BIELEFELD) zu Schwarz-Grün in Hamburg
Archivmeldung vom 12.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBeinahe wäre der schwarz-grüne Dammbruch in Hamburg unbemerkt geblieben. Im Schatten eines rot-roten Politdramas um Hessen, Kurt Beck und die Spaltung der SPD sind sich CDU und Grüne im Norden so nah wie noch nie gekommen. Die flotte Abwendung der FDP vom Lebensabschnittsgefährten der letzten 26 Jahre - zumindest auf Bundesebene - war die einzige echte Reaktion.
Dabei hätte das sich abzeichnende Zusammengehen der einst so feindlichen Lager von Grün-Alternativer Liste (GAL) und Christdemokraten in ruhigeren Zeiten von Hamburg aus die gesamte Republik herausgefordert. »Wir wollen ein grüneres Hamburg«, sagt Renate Künast in aller Unschuld. Und Ole von Beust bemerkt: »Liebe muss ja wachsen.« Beide Bundesparteien wollen das junge Glück offenbar nicht stören, wie selbstverständlich loten die Strategen in Berlin die neuen Möglichkeiten 2009 in aller Ruhe aus. Normalität im Umgang ist überfällig. Dabei kommt es immer auf die Beteiligten an. Vor fast 20 Jahren gab es auf kommunaler Ebene im lippischen Schlangen bereits ein schwarz-grünes Bündnis, das den heutigen Landrat Friedel Heuwinkel zum Bürgermeister kürte. Der ist heute der einflussreichste Verfechter der Nationalparkidee, Schlangen kehrte soeben zum einst traditionellen SPD-Bürgermeister zurück. Die Kleinen zeigen einmal mehr den Großen, was unverkrampfte Praxis ist. Selbst die derzeit schwer angeschlagene SPD darf auf bessere Zeiten hoffen. Schwarz-Grün kann in Hamburg unter Beweis stellen, zu welchen Eingeständnissen die Union bereit ist, welche Ziele den Ökologen wirklich wichtig sind. Die Hanseaten sind derzeit in einer komfortablen Lage. Der Hafen ist eine Geld- und Jobmaschine, das Exportgeschäft verleiht dem Stadtstaat Anschluss an die Wachstumsmärkte in Übersee. Das strittige Thema Elbvertiefung wird dadurch nicht einfacher, kann jedoch freier von dem sonst üblichen Arbeitsplatzargument angegangen werden. In der Schulpolitik bietet die Nord-CDU sechs Grundschuljahre an, den Verzicht auf Studiengebühren und weitere 13 Punkte bei denen sich die GALier nur die Augen reiben konnten. Auch der Bau eines großen Kraftwerkes ist längst keine Frage der politischen Farbenlehre mehr. Vielmehr geht es um praktische Erwägungen von der Staubbelastung bis zur Klimabilanz - alles Dinge, die auch CDU-Wähler sehr genau unter die Lupe nehmen. CDU-Chefin Angela Merkel wird möglichst viele Bälle im Spiel halten - jetzt auch grüne. Kurt Beck kann da sogar nach der dunkelroten Kugel schielen, obwohl er alle Eide schwört, 2009 noch davon lassen zu wollen. Dennoch: Schwarz-Grün in Hamburg löst alte Lager auf und entwirrt die verfahrene Lage bei der SPD. Musste Die Linke erst einige spektakuläre Sprünge über die fünf Prozent Hürde im Westen vorlegen, um CDU und Grüne deren Uralt-Aversionen überwinden zu lassen?
Quelle: Westfalen-Blatt