Kommentar von Raimund Neuß zu den Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij und Ideen für ein "Einfrieren" des Ukraine-Krieges
Knickt Wolodymyr Selenskyj ein? Die Aussagen des ukrainischen Präsidenten im Parlament seines Landes und sein Interview in Donald Trumps Lieblingssender Fox News könnten dies nahelegen. Bei Fox hat Selenskyj vor den dramatischen Folgen gewarnt, die durch einen Stopp der US-Lieferungen drohen könnten - und nach seinen Worten im Parlament scheint er sich damit abzufinden, dass Teile seines Landes bis auf weiteres in russischer Hand bleiben könnten.
Für die große Mehrheit der Ukrainer ist diese Botschaft eine ungeheuerliche Zumutung. Denn so ein Waffenstillstand würde für die Einwohner der russisch besetzten Gebiete die Fortsetzung von Folter, Deportationen und Morden bedeuten. Warum sagt Selenskyj so etwas?
Seine Dramaturgie mit Parlamentsauftritt und Fox-Interview könnte einen Hinweis geben: Adressat ist der künftige US-Präsident, der den Ukraine-Krieg bekanntlich in 24 Stunden beenden will. Trump will die Ukraine und Russland mit einem Lösungsplan konfrontieren - und Selenskyj macht ihm ein Angebot für so ein Konzept. Kremlsprecher Dmitri Peskow hat ein "Einfrieren" prompt abgelehnt, was Selenskyj einkalkuliert haben dürfte: Moskau will komplette Unterwerfung und kein bisschen weniger.
Bleibt Moskau dabei, dann erlebt Trump im Kreml eine demütigende Abfuhr und muss - so hofft Selenskyj wohl - als Reaktion Stärke zeigen, also Kiew helfen. Selenskyj appelliert an Trumps Eitelkeit, indem er sich flexibel zeigt und hervorhebt, wie sehr ihm Trumps Drohung mit einem Ende der Hilfe imponiert. Seine Aussagen sind also keinesfalls der Anfang vom Ende des ukrainischen Widerstandes, sondern bereiten die nächste Etappe vor.
Quelle: Kölnische Rundschau (ots)