Lausitzer Rundschau: Theorie und Praxis
Archivmeldung vom 11.02.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer aktuelle Fall um entwürdigende Aufnahmerituale bei den Gebirgsjägern im oberbayrischen Mittenwald bildet ein weiteres Kapitel in der Geschichte unrühmlicher Verfehlungen während der Soldatenausbildung. Hammelburg, Coesfeld und Zweibrücken sind vielen noch in Erinnerung.
Eine Konsequenz aus diesen Skandalen war die Verabschiedung einer neuen Zentralen Dienstvorschrift zur "Inneren Führung" im Jahr2008, mit der Persönlichkeitsbildung, ethischer Kompetenz und moralischer Urteilsfähigkeit ein höherer Stellenwert eingeräumt werden sollte. Doch Papier ist geduldig - und die Realität in deutschen Kasernen hingegen oft sehr dynamisch. Rangniedrige Ausbilder, die zuweilen kaum älter als die Wehrdienstleistenden und ihnen in Lebenserfahrung und Berufsausbildung nicht selten unterlegen sind, müssen sich im Ringen um Macht und Status behaupten. Dabei verdichten sich in diesem von strengen Hierarchien, Abhängigkeitsverhältnissen und damit einhergehenden Frusterlebnissen geprägten Umfeld gesellschaftliche Verhältnisse wie unter einem Brennglas. Denn außerhalb der Kaserne ist gerade bei jungen Menschen eine Entsolidarisierung zu beobachten - begünstigt durch zunehmenden Leistungsdruck und härteren Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt. Diese Situation muss bei der Vermittlung sozialer Kompetenzen, wie sie die Zentrale Dienstvorschrift vorsieht, berücksichtigt werden. Die Truppenführung hat das Problem erkannt: Doch wenn den Worten nicht effektive Taten folgen, dann ist der nächste Skandal programmiert.
Quelle: Lausitzer Rundschau