Leipziger Volkszeitung zur Lufthansa
Archivmeldung vom 02.08.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.08.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Lufthansa und die Gewerkschaft Verdi begruben gestern überraschend ihren Tarifstreit und einigten sich auf ein Einkommensplus für das Bodenpersonal von insgesamt 7,4 Prozent. Anfang der Woche, als der Streik begann, hätte wohl kaum einer auf solch eine rasche Lösung gewettet.
Vielmehr machte das Kranich-Unternehmen den Eindruck, den Konflikt aussitzen zu wollen. Nur etwa fünf Tage dauerte der Ausstand. Die Passagiere werden es danken. Allerdings verschwinden damit an den Anzeigetafeln die gefürchteten Begriffe "cancel", "annuliert", "gestrichen" nicht so rasch, wie jeder hofft. Bis wieder Normalität im Flugverkehr herrscht, vergehen wohl noch zirka zwei Wochen. Der Kompromiss hingegen wirkt länger als 14 Tage. Vorausgesetzt die Flugbegleitergewerkschaft Ufo stimmt ihm doch noch in jetziger oder modifizierter Form zu. Denn er regelt für einen Zeitraum von 21 Monaten die Einkommensentwicklung. Das führt unmittelbar zu Mehrbelastungen für die Airline von 140 Millionen Euro. Die müssen erst einmal erwirtschaftet werden in Zeiten steigender Kerosinpreise und drohender Konjunkturdämpfer. Die Treibstoffkosten - allein in diesem Jahr machen sie bei der Lufthansa insgesamt 5,6 Milliarden Euro aus, 1,7 Milliarden Euro mehr als 2007 - sind nicht eins zu eins auf die Ticketpreise umzulegen. Und wenn die Wirtschaft schwächelt, sinkt meist der Flug-Drang von Geschäftsreisenden. Zum Glück ist Europas zweitgrößte Airline gut aufgestellt, legte gar im ersten Halbjahr beim operativen Ergebnis zu, steigerte auch den Umsatz. Sie ist weit davon entfernt, etwa mit Warnungen vor Gewinneinbrüchen wie Ryanair zu schocken oder gar wie US-Konkurrenten Insolvenz anmelden zu müssen. Dennoch wird der in der Branche tobende Konsolidierungskampf seine Spuren hinterlassen. Dem ist nur mit höherer Produktivität beizukommen. Und dieser Druck überdauert garantiert die 21 Monate. Will heißen: Die Lufthansa-Beschäftigten haben zwar mehr in der Tasche, was ihnen natürlich zu gönnen ist, die an sie gestellten Anforderungen steigen jedoch auch. Zweifelsohne verteuert diese ganze Gemengelage die Flugreisen und gewinnt dadurch eine noch viel größere Breitenwirkung - nämlich auf die Kunden. Kein Wunder, dass zahlreiche Urlauber lieber am Boden bleiben, als abzuheben. Die kletternden Sprit-, Energie- und Lebensmittelpreise hinterlassen ihre Spuren. Ein Teufelskreis, auf den sich die Fluggesellschaften im harten globalen Wettbewerb einstellen müssen. Wie immer in solchen Fällen werden die Besten gewinnen.
Quelle: Leipziger Volkszeitung (von Ulrich Langer)